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sortimenterbrief April 2019

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe April 2019

schwerpunktinterview

schwerpunktinterview Sonderthema-Krimis & Thrillergesundheit © MedUni Wien-Matern © MedUni Wien-Matern Ossi Hejlek im Gespräch mit Gerda Bernhard und Em. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Michael Kunze Raucher sind weder blöd noch schwach. Denn der durch Nikotin bedingte Dopamin-Kick ist enorm. Advertorial Sie haben in 15 Jahren tausende Teilnehmer durch Ihr Seminar „Rauchfrei in fünf Wochen“ geschleust ... Bernhard: Das Seminarprogramm sah so aus, dass man beim ersten Termin eine Bestandsaufnahme machte. Ebenso wurde mittels eines kurzen Tests der Grad der Nikotinabhängigkeit erhoben. Dieser Test ist auch im Buch abgedruckt. Beim Seminar wurde auch der Anteil des Kohlenmonoxids in der Ausatemluft gemessen. Diese Messung wurde dann bei allen Terminen wiederholt. Man sieht dabei selbst, wie man im Vergleich zur Vorwoche steht. Das ist ein wenig vergleichbar mit dem Abwiegen bei Abnehmprogrammen. Je weniger man geraucht hat, umso besser die Werte. Die Teilnehmer führten auch ein Raucherprotokoll – wie das funktioniert, steht auch im Buch – wo sie notierten, wann und in welchen Situationen sie zur Zigarette gegriffen haben. Im Wesentlichen kann man sagen, dass unser Buch auf den jahrelangen Erfahrungen und Methoden des Seminars basiert, das von der MedUni Wien kreiert wurde. Wir hatten immer Mediziner dabei, die in Einzelgesprächen auf die Teilnehmer individuell eingehen konnten. Wie rasch regeneriert sich die Lunge, wenn man mit dem Rauchen aufhört? Kunze: Schnell. Die Raucherei bedingt eine chronische Kohlenmonoxid-Vergiftung, die Gefäße werden in Mitleidenschaft gezogen, die Flimmerhärchen in der Lunge werden gelähmt, können die Stoffe nicht mehr aus der Lunge transportieren. Wenn man mit dem Rauchen aufhört, richten sich diese Härchen wieder auf und beginnen den Transport aufzunehmen. Daher berichten manche erschreckt, dass sie nach dem Aufhören plötzlich mehr Husten. Eigentlich ein gutes Zeichen. Im Buch haben wir versucht, wissenschaftliche Evidenz runterzubrechen, damit es lesbar wird. In der Sozialmedizin ist die verständliche Form ein wichtiges Anliegen. Es ist schön, dass die MedUni Wien viele Schritte in diese Richtung setzt. Wie sah die Zusammenarbeit von Ihnen beiden aus? Kunze: Mein Part lag im Medizinischen, Gerda Bernhard gelang es hervorragend, die vielen Teile zusammenzuführen und daraus ein Ganzes zu machen. Es war ein beachtliches Stück Arbeit. Wen erachten Sie als Hauptzielgruppe? 30 sortimenterbrief 4/19

schwerpunktinterview gesundheit Kunze: In erster Linie diejenigen, die aufhören wollen. Aber es ist uns genauso ein Anliegen, dem Umfeld die Thematik nahezubringen. Raucher sind weder blöd noch schwach. Nikotin ist, eine wunderbare, psychoaktive Substanz. Man raucht, wenn man gestresst ist und genauso, wenn einem fad ist – und immer wirkt es. Wir beleuchten viele Aspekte im Buch – es geht nicht ausschließlich um die Entwöhnung. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass eine deutliche Preiserhöhung der Zigaretten ein hoch probates Mittel gegen das Rauchen wäre – auch präventiv. Dafür gibt es international viele Beispiele. Im Buch findet sich eine Aufschlüsselung, wer am Tabakkonsum wieviel mitverdient. Den Staat haben Sie mit 1,9 Milliarden im Jahr beziffert ... Kunze: Da liegt natürlich auch eine große Problematik beheimatet. Denn Fakt ist, dass diejenigen, die an den Folgen des Rauchens erkrankt sind, heute enorme Kosten im medizinischen Bereich verursachen. Würden alle heute mit dem Rauchen aufhören, würde dem Staat eine richtig große Menge an Einnahmen abhandenkommen. Die Kosten für medizinische Versorgung würden aber noch zehn bis 20 Jahre weiterlaufen. Wir sind in Österreich in puncto Therapieangeboten hervorragend aufgestellt – in puncto gesellschaftspolitischer Maßnahmen werden wir in Vergleichen oft in den hinteren Reihen angeführt. Welche Folgeerkrankungen gibt es? Kunze: Ich sage meinen Studenten immer, sie brauchen nicht zu lernen, was Rauchen macht, sondern mir lieber erzählen, was Rauchen nicht verursacht! Über den Blutkreislauf wird das Kohlenmonoxid im ganzen Körper verteilt. Ein Organsystem, das nicht beeinflusst wird, gibt es nicht – Krebs, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Lungenembolie ... es geht von Kopf bis Fuß. Lediglich der Anteil, den das Rauchen an Erkrankungen hat, macht den Unterschied aus. Bei Lungenkrebs sind es 90 %, bei anderen Karzinomen weniger. Warum helfen keine abschreckenden Beispiele beim Prozess des Aufhörens? Kunze: Der Alkohol- oder Rauschgiftkranke weiß selbst, dass es nicht gut ist, was er tut. Logik hat jedoch bei ausgeprägter Sucht kaum eine Chance. Wer raucht, hat gelernt, dass er sich durch das Rauchen kurzfristig Erleichterung verschaffen kann. Der durch das Nikotin verursachte Dopamin-Kick ist enorm. Es hängt auch davon ab, wie viele Dopaminbzw. Nikotin-Rezeptoren man hat. Wenn man im Nikotinbereich ein Suchtverhalten hat, ist man dann auch auf andere Substanzen suchtanfällig – Alkohol, Schokolade, Essen generell ...? Kunze: Sehr verkürzt: ja. Man sucht sich einen Kick nach dem anderen. Welchen Stellenwert hat Passivrauchen? Kunze: Natürlich kann es gesundheitsgefährdend sein. Es ist mit Aktivrauchen aber nicht vergleichbar. Kann man „einfach“ aufhören? Sie haben ja viele Ansätze und Methoden im Buch beschrieben ... Bernhard: In der Regel geht dem Aufhören immer ein längerer Entscheidungsprozess voraus. Dargestellt wird es oft als „von heute auf morgen“. Wir müssen uns an die wissenschaftlichen Standards halten, daher kommen im Buch evidenzbasierte Methoden vor, bei denen es auch entsprechende Studien dazu gibt. Natürlich wäre das wundersame Handauflegen von außen gewünscht, wo man als Raucher nichts tun muss und die Sucht ein für alle Mal weg ist. Das gibt es aber nicht. Wobei der Glaube an eine Methode auch seinen Stellenwert einnimmt. Bei wirklich starken Rauchern empfehlen wir eine Nikotinersatztherapie. Ein weiterer wichtiger Part ist die Vorbereitung – wie man in den individuellen Rauchsituationen verfährt, wenn man aufgehört hat. Da hat jeder seine ganz eigenen Rauch-Trigger und Problemstellungen. Die Motivation am Weg zum Nichtraucher ist auch relevant für den Erfolg des Vorhabens. Sind Nichtraucher-Apps sinnvoll? Bernhard: Was es gibt, soll man nutzen und ausprobieren. Wir haben auch gute Rückmeldungen, was das Rauchertelefon betrifft. Im Buch sind viele praktische Tipps zu finden, wie man zu Hause oder am Arbeitsplatz verfährt, um den Verlockungen des Alltags vorzubeugen und um sie zu meistern. Das betrifft auch so genannte Erste-Hilfe-Maßnahmen. Was tun, wenn man rückfällig wird? Kunze: Ein Rückfall bedeutet nicht, dass alles vergebens war. Es ist wie im Leben: hinfallen, aufstehen, weitermachen. Danke für das Gespräch! Gerda Bernhard, Michael Kunze Risiko Rauchen. Wie Nikotin wirkt, warum es abhängig macht und wie man die Sucht besiegt 160 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-214-13743-4, € 23,– | Manz Verlag www.manz.at sortimenterbrief 4/19 31


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