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sortimenterbrief april 2022

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe April 2022.

© Anna Stöcher Teresa

© Anna Stöcher Teresa Petrovitz im Gespräch mit Alessandra Dorigato Die erfolgreiche Foodbloggerin verrät ihre Lieblings- Familienrezepte Frau Dorigato, Sie sind leidenschaftliche Köchin, betreiben einen beliebten kulinarischen Blog und schreiben auch eine Koch-Kolumne für den Standard. Jetzt kommt Ihr erstes Kochbuch heraus. Haben Sie sich damit einen großen Traum erfüllt? Dorigato: Genau genommen bin ich bald Autorin von zwei Büchern, die fast gleichzeitig veröffentlicht werden: Es gibt eine deutsche Version und eine leicht abgeänderte und angepasste Version meines Kochbuchs auf Italienisch. Hier war ich auch für die Übersetzung verantwortlich. Auch alle Fotos im Buch stammen von mir. Tatsächlich war es immer schon mein Wunsch bzw. ein Bedürfnis, ein Buch zu schreiben oder zumindest mit Wörtern zu arbeiten. Ich liebe Geschichten und ich liebe alles, was mit Sprache zu tun hat. Als meine Kinder klein waren, habe ich für sie zwei Kinderbücher geschrieben, das waren sozusagen meine ersten Werke. Leider habe ich aber kein Glück bei den angeschriebenen Verlagen gehabt, ich war ihnen zu unbekannt (lacht). Ihre Liebe für Wörter und Geschichten kommt auch in Ihrem Blog zum Ausdruck … Dorigato: Ja, im Zentrum stehen weniger die Rezepte an sich, sondern vielmehr Geschichten rund um die Rezepte, über ihre Entstehung und über die italienische Kultur und Geschichte im Allgemeinen. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Ihre ersten Kocherfahrungen in der Kindheit immer mit dem Aspekt des Erzählens zusammenhingen. Dorigato: Als Kind erlebte ich noch den Teil der italienischen Kultur, in dem Frauen eine bestimmte Rolle einnahmen, die natürlich stark mit dem Kulinarischen verbunden war. Eine zentrale Figur war in dieser Hinsicht meine Großmutter. Wir haben immer gemeinsam gekocht, und sie hat uns dabei stets mit kleinen Anekdoten und Geschichten verzaubert. Dabei stand nicht nur der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund, auch verschiedene Erklärungen packte sie in spannende Erzählungen, und wir Kinder hingen an ihren Lippen. Welche Erfahrungen haben Ihren Zugang zum Essen außerdem geprägt? Dorigato: Ganz klar die Gemeinschaft und die Gastfreundschaft. Emblematisch dafür ist diese kleine Geschichte aus meiner Kindheit: Unsere Wohnung lag gegenüber eines Krankenhauses. Frühmorgens warteten dort oft viele Menschen, die Termine hatten, aber noch nicht hineingelassen wurden. Immer wieder klopfte es dann an unserer Tür. Meine Mama stand ohne Murren auf und bot den Wartenden Kaffee an. In Italien darf man niemandem einen Kaffee verweigern (lacht). Beim Espresso tauschte man sich dann über Alltägliches aus, über Schicksale, über das Leben. Dasselbe galt für die Mittagszeit: Die Leute kamen, und wir teilten das, was wir hatten. Essen habe ich also immer gemeinsam mit der Bereitschaft, offen zu sein, und als Mittel der Kommunikation erlebt. Aus welchem kulinarischen Hintergrund kommen Sie in geografischer Hinsicht? Wo in Italien sind Sie aufgewachsen? Dorigato: Geboren wurde ich in Mailand, mit 14 Jahren zogen wir ins Trentino, die Heimat meiner Mutter. Dort hatte ich auch schon davor die damals noch sehr langen Ferien verbracht. Auch Sizilien wurde prägend für mich, ich lebte dort immer wieder bei Freunden, das Kochen war dort noch stärker mit dem Aspekt des Zusammenseins verbunden. Im Gegensatz zur österreichischen Kultur könnte man sagen, dass in Italien der Gast nicht davor verschont wird, mitzukochen und mitzuhelfen (lacht). Dafür gibt es in Italien auch die Antipasti, sozusagen als Überbrückung hin zum 32 sortimenterbrief 4/22

Essen, das noch gemeinsam vorbereitet wird. Dennoch schätze ich auch den österreichischen Zugang sehr: Hier ist bei Einladungen alles bereits fix und fertig, als Gast darf man sich einfach zurücklehnen. Das nehme ich selbst immer wieder sehr gerne an (lacht). Beide Kulturen halten im Bereich Essen viel Positives und Bemerkenswertes bereit. Ich schätze es, beide Kulturen zu kennen und zu leben, in ihre jeweiligen Welten einzutauchen. Nach welchen Kriterien haben Sie die italienische Seite im Buch einzufangen versucht? Wie haben Sie die Auswahl Ihrer Rezepte getroffen? Dorigato: Der erste Leitgedanke war die Saisonalität. Deshalb sind auch alle Rezepte diesbezüglich markiert und danach angeordnet. In der traditionellen italienischen Kultur ist Saisonalität nicht wegzudenken, dies spiegelt sich auch in unserer Marktkultur wider. Natürlich hat auch bei uns die Globalisierung mit Einkaufszentren und Co. Einzug gehalten, aber dennoch hat sich die alte Tradition erhalten. Sehr passend finde ich ein Zitat meiner Großmutter, die immer sagte, dass Geschmack keine Eile habe. Dazu gehört dann eben auch, auf den Markt anstatt in den Supermarkt zu gehen, sich beim Aussuchen der saisonalen, frischen Lebensmittel Zeit zu nehmen und auf die Qualität zu achten. Wichtig war für meinen heutigen Blick auf Lebensmittel auch, dass ich schon Alessandra Dorigato A Modo Mio. Lieblingsgerichte und Küchengeschichten aus Italien 248 Seiten, alle Rezeptfotos von Alessandra Dorigato, Hardcover Deutsche Ausgabe: 978-88-7283-790-0 Italienische Ausgabe: 978-88-7283-830-3 € 27,50 | Edition Raetia als Kind ein kleines Stück Garten hatte und dadurch erleben durfte, wie lange es eigentlich dauert, bis beispielsweise eine Karotte entsteht − und wie viel Aufmerksamkeit es verlangt, um sie genau dann zu ernten, wenn sie am knackigsten ist. Die Qualität der Lebensmittel spielt in der italienischen Küche schon immer eine herausragende Rolle ... kochen auf meine art Dorigato: Unsere Küche ist vergleichsweise „arm“, wir haben fast immer die gleichen Zutaten, die wird tausendmal drehen (lacht). Wir schaffen es in unseren Speisen aber dennoch, extrem spannende Unterschiede zu kreieren, weil wir einfach auf so hochwertige Produkte zugreifen. Würden wir auf diesen wichtigen Aspekt verzichten, verlören wir das Besondere der italienischen Küche. Auch die historisch gewachsene starke Regionalität ist ein Charakteristikum der Küche Italiens. Meine Heimat wurde erst 1861 zu einem vereinten Staat, es konnten lange unterschiedliche Traditionen wachsen. Nicht zu vergessen sind die arabischen und afrikanischen Einflüsse aufgrund unserer mediterranen Lage. Ein Beispiel dafür ist, dass Couscous in der Küche Sardiniens ein essenzieller Bestandteil ist. Es gelangte über genuesische Handlungsreisende von Tunesien nach Sardinien. Die Gerichte in Ihrem Buch spiegeln diese Vielfalt wider, sie reichen von Street Food bis hin zu Eingelegtem, das gerade heute wieder im Trend ist. Dorigato: Mit dem Street-Food-Bereich wollte ich einen weniger bekannten Teil unserer Kultur auch hier bekannt machen. Das gilt ebenso für das Eingelegte, bei dem der Nachhaltigkeitsgedanke hineinspielt. Ich habe mit meinem Buch vor allem versucht, den typischen Urlaubsblick oder auch bestimmte gastronomische Stereotype aufzubrechen und die Wahrnehmung für die vielen Facetten der italienischen Küche zu weiten. Herzlichen Dank für das Gespräch! sortimenterbrief 4/22 33


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