und didaktischen Belange, die Verwendungin Kindergärten und Schulen?bezahlte Einschaltung© Dan CurticapeanIm Gespräch mitProf. Dr. phil. Ralf Lankau»Allein durch das Tippenund Wischen verkümmertdie Sinnlichkeit«Prof. Dr. phil. Lankau ist Philologe,Kunstpädagoge und Grafiker. Er unterrichtetseit 2002 als Professor für Digitaldesignund Medientheorie an der HochschuleOffenburg und forscht zu Medienpädagogik,Ethik und Digitaltechnik inseinem Projekt „Die pädagogische Wende“(die-pädagogische-wende.de).Wie sehr ähneln oder unterscheiden sichdie Bedürfnisse der Kinder innerhalbder deutschsprachigen Regionen?Im Dialekt gibt es sicher so manche Unterscheidungen(lacht). Was die Entwicklungder Kinder betrifft, deren Bedürfnisse wieauch die pädagogische Arbeit, liegen diedeutschsprachigen Länder sehr nahe beieinander.Wenn es um die Digitalisierung geht,liest man nicht selten über die Gefahren,die damit einhergehen. Gibt es auch Vorteile– natürlich insbesondere bezogenauf das Lernen bzw. die pädagogischenUm ehrlich zu sein, sehe ich keine relevantenVorteile. Insbesondere bei Kleinkindernim Altersbereich von Kindergartenoder Grundschule sind mir noch keineVorteile untergekommen. Weder in derpädagogischen Arbeit noch in der lernpsychologischenEntwicklung oder derpsychologischen Entwicklung der Kinderselbst. Die Nutzung digitaler Geräte verleitetdazu, die Bewegung einzuschränkenund ebenso, dass man sich sehr stark aufaudio-visuelle Medien fokussiert. Damitgeht ein gewisser Verlust der Sinnlichkeiteinher – die Feinmotorik wird wenigergut ausgebildet. Bewegung, Lebensraum,die Kommunikation mit anderen Kindern,der Kontakt, auch die Auseinandersetzungmitereinander, das Ausprobierenvon Materialien, von unterschiedlichenStiften über Papiere und Bastelmaterialienbis hin zu Schere und Klebstoff ... dasfindet alles nur mehr sehr eingeschränkt– teilweise gar nicht mehr – statt. Alleindurch das Tippen und Wischen verkümmertdie Sinnlichkeit. Die Kinder wollensich von Natur aus aktiv bewegen, wollenauch aktiv gestalten und mit Objekteninteragieren. Diesen Bedürfnissen mussbewusst wieder mehr Bedeutung, Zeitund Umsetzungsmöglichkeit eingeräumtwerden. Gerne werden die digitalen Medienund Geräte als wunderbarer Babysittereingesetzt. Das mag eine starke Entlastungfür die Eltern darstellen – wie es auch dasFernsehen in früheren Jahren war. Elternbrauchen Pausen, diese muss man ihnenauch zugestehen. Aus der Sicht der Kinderbetrachtet, sollte man die Bildschirmmedienjedoch weitestgehend aus dem Alltagheraußen lassen. Es gibt sogar eine neueLeitlinie aus 2023. Die Kinderärzte empfehlendabei, in den ersten drei Lebensjahrengar keine Bildschirme zu nutzen.Problematisch dabei ist natürlich die Umsetzungim Familienverband, wo auch dieVorbildwirkung der Älteren innerhalb derFamilie eine entscheidende Rolle spielt.30 sortimenterbrief 12/23
wko.at/buchwirtschaftAus eigener Erfahrung erlebe ich beimeinem Sohn eine große Faszination fürdie Mobiltechnologie. Biete ich jedochaktiv unterschiedliche Betätigungen an– von sportlichen bis zu künstlerischenAktivitäten –, spielen die digitalen Gerätekeine Rolle mehr ...Genau. So ist es auch bei allen anderenKindern. Es bedarf strukturierter Angebote.Es besteht ein großes Bedürfnis beiden Kindern, wahrgenommen zu werdenund nach Interaktion mit anderen, nachdem Machen von Erfahrungen. Kümmertman sich nicht aktiv um sie, ist der Wegzum Smartphone kurz. Denn dort gibtes Interaktion, und man bekommt auchRückmeldungen ... man wird bestätigt, direktangesprochen, man erhält das Gefühl,wahrgenommen zu werden. Die Oberflächensind so programmiert, dass mansüchtig danach werden kann.Das merkt man auch als Erwachsener,wenn man sich bei der stundenlangenNutzung so mancher Apps ertappt – mitSchaudern feststellt, wie viel Lebenszeitschon wieder vergangen ist ...Auch Kinder nutzen die Geräte als eineArt Entlastung. Da brauchen wir Erwachseneuns gar nicht ausschließen, dennauch wir nutzen die Geräte zur vermeintlichenZerstreuung. Beobachte ich meineStudent:innen, wenn sie nach einer Vorlesungauf den Campus gehen, zücken sieals Erstes ihr Smartphone. Gleiches ander Bushaltestelle, in der U-Bahn, beimWarten jeder Art ... sogar beim Gehenauf der Straße. Smartphones wurden zuselbstverständlichen Begleitern, über dieInformationen kommen und Rückmeldungengegeben werden. Man kann damitspielen, kann sich ablenken. Daran habenwir uns gewöhnt. Das Gemeine an denGeräten ist ja nicht nur, dass sie mancheLebensbereiche bequemer machen, mehroder weniger sinnvolle Dienste anbieten– auf diesem Wege der Bequemlichkeit,Ablenkung und Unterhaltung werden wiraber auch eingefangen. Es schleicht sichein Verhalten ein, bei dem die dauerndePräsenz der Geräte normal wird. Dadurchverändert sich unser Kommunikationsverhaltennachhaltig.Ich nehme ein verändertes Kommunikationsverhaltenauch bei den Erwachsenenstark war. Man ruft sich kaum nochan. Man schickt sich Nachrichten ...Ja, das ist Realität geworden. Von den Erwachsenenübernehmen die Kinder dasVerhalten ja. Wir sind die Vorbilder. Esbraucht Selbstdisziplin im Umgang mitSmartphones und Tablets – und die müssenwir erst einmal lernen. Es braucht auchhier Regeln. Und wir müssen auch nicht allesmitmachen, was da auf uns zukommt.Die wichtigste Botschaft überhaupt ist, dasswir lernen müssen, die unterschiedlichenGeräte und Angebote zu unseren Konditionenzu bedienen und zu nutzen.Auch mit Künstlicher Intelligenz wirdman umgehen lernen müssen ...Die Dimension dessen, was da auf unszurollt, ist noch nicht absehbar. Bereitsjetzt schon sind viele Inhalte im Internetcomputergeneriert. In Zukunft wird dasnoch explodieren. Das wird uns noch sehrbeschäftigen. Wer kann einschätzen, obdie im Internet generierten Texte, Bilder,Nachrichten ... überhaupt richtig sind? Ichbin manchmal sprachlos, wie unreflektiertmancherorts die Künstliche Intelligenzund ihre Möglichkeiten gepriesen werden.Machen wir einen Sprung zur Pädagogik.Werden bei digitalen Lernangebotendie Lehrenden mit all ihren interaktivenAufgaben „ausgespart“, sind dieKinder ja wieder alleine mit ihren Geräten,der Lern-App. Entstehen dadurch ingewisser Weise Selbstlernphasen?Wir machten bzw. mussten während derbeiden Coronajahre viele Erfahrungenmachen. Wir waren froh über die Möglichkeitvon Videokonferenzen mit den Schüler:innen,über digitale Lernplattformen.In diesen Ausnahmejahren waren wir sogarfroh über die digitalen Anwendungen,die online Kontakte zwischen Lehrendenund Lernenden ermöglichten. Wir simuliertendadurch eine Art von Unterricht.Richtiger Unterricht war es keiner. Nungibt es zur Coronazeit mittlerweile sehrviele Studien. Dabei wird auch deutlich,dass die Kinder die Geräte und Dienstezwar nutzten, parallel jedoch die Lernerfolgedramatisch einbrachen. Selbst in denNiederlanden, wo die Kinder an den Schulenalle mit Tablets arbeiten. Nach 8 WochenDistance Learning ergab der Lernrückstandin etwa acht Wochen, obwohldie Kinder ihre Tablets hatten, es digitaleAngebote gab ... Schule hat demnach vielmehr Funktionen – sie ist ein Sozialraum.Es ist etwas anderes, ob man zu Hausealleine vor dem Bildschirm sitzt oder imKlassenraum gemeinsam am Tablet arbeitet,angeleitet durch die Pädagog:innen.Gerade Corona zeigte, dass digitale Lern-Tools nur für diejenigen Schüler:innenrelevant sind bzw. waren, die eine sehrhohe Selbstdisziplin haben. Alle anderenhaben deutlich weniger in den Coronajahrengelernt. Je lernschwacher Kinderoder Student:innen sind, umso wenigerkönnen diese mit digitalen Lernangebotenarbeiten. Das bedeutet im Umkehrschluss,dass man auf digitalem Wege effizientnur die Spitze der Schüler:innenmengeerreicht – alle anderen fallen regelrechtdurch den digitalen Rost. Das hat Coronasehr drastisch gezeigt – vom Kindergartenbis zur Universität. An der Uni ging es beiden hohen Semestern einigermaßen, beiden Erstsemestern war es dramatisch.Dabei könnte man doch davon ausgehen,dass Studierende eine gewisse Reife zumSelbstlernen mitbringen ...Bei den Erstsemestern nicht, da diese nochim Schulmodus sind. Aber auch für dieÄlteren war es schwierig, da vieles von derSelbstmotivation abhängig war. Wir empfehlengrundsätzlich den Student:innen,kleine Lerngruppen zu bilden, damit einegegenseitige Motivation entsteht. Von den-sortimenterbrief 12/2331
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