bezahlte Einschaltungjenigen, die alleine durch das Studium laufen,verlieren wir sehr viele. Das schaffendie wenigsten. Denken wir an die Grundschulzeitzurück. Da lernen die Kinder fürdie Lehrerin oder den Lehrer. Es ist einEinfinden in die Sozialgemeinschaft. Manwill gefallen, braucht positive Rückmeldungen.Das tatsächliche Lernen für sichselbst, weil einem der Stoff interessiert,das beginnt erst nach der Pubertät. Dannkann man mit den jungen Menschen gutarbeiten, kann begleitend zum Präsenzunterrichtweiterführende – auch digitale –Angebote machen. Digitale Angebote sindals Ergänzung zum Präsenzunterrichtsehr gut und als Vertiefung, wenn man inmanchen Bereichen mehr wissen möchte.Digitale Zusatzangebote können hilfreichsein, wenn sie von den Pädagog:innengesteuert werden. Egal, ob in der Grundschuleoder in weiterführenden Schulen,man muss auf die unterschiedlichenSchüler:innen auch unterschiedlich reagieren,auf sie eingehen ... Dafür sind digitaleAngebote sehr hilfreich. Entscheidenddabei ist, dass die Pädagog:innendie Klassengemeinschaft im Blick habenund wissen, welches Kind welchen Bedarfhat – wo man unterstützen muss, woman es laufen lassen oder auch mal mehrfordern kann. Dieses Gespür für die individuelleEinschätzung der Kinder und derSituation kann nur ein Mensch leisten, derdie Klassengemeinschaft kennt, jeden einzelnenMenschen – und diesen Menschenzugewandt ist. Der persönliche Kontaktzwischen Lehrer:innen und Schüler:innenist extrem wichtig – bei Lernschwachenumso mehr. Corona hat dies gezeigt, auchdass Lernschwache klare Regeln, Ritualeund Vorgaben brauchen.Sie haben geschrieben, dass die OECD2015 formulierte, dass eine Förderungder Grundkenntnisse in Rechnen undSchreiben – ich erlaube mir noch zu ergänzen:und in Lesen – mehr zur Angleichungvon Bildungschancen beiträgt alsdie Ausweitung und Subventionierungvom Zugang zu Hightech-Geräten undebensolchen Dienstleistungen.Wir sehen in Deutschland in der Bildungsstudie,dass nach Absolvierung derGrundschule ein Viertel der Kinder dieStandards in Lesen nicht erreicht undein Drittel nicht in Rechnen. Da geht esja noch nicht um höhere Mathematik ...Wenn die elementaren KulturtechnikenLesen, Schreiben, Rechnen, Zuhören undAufmerksamkeit nicht gefördert werden,sind Kinder im Alter von 10 Jahren inihrer (Bildungs-)Biografie blockiert, wassich später nur sehr schwer korrigierenlässt. Wir geben natürlich keine Kinderauf, aber das Auffangen ist extrem schwer.Viele von ihnen brechen irgendwann ohneAbschluss die Schule ab.Auch in diesem Bereich ist die digitale Fokussierungnicht förderlich, da man Lesenam Bildschirm nicht bzw. nur deutlichschlechter lernt als vom Papier.Vor wenigen Monaten las man über dasPapier, das vom schwedischen Karolinska-Institutherausgegeben wurde. Schwedenist nun das erste Land, das ganz massivzurückrudert, die Digitalisierung anden Schulen bremst. In Schweden gab esdie Vorgabe, dass in den Kindergärtenab dem 2. Lebensjahr verpflichtend mitdem Tablet gearbeitet wird. Die skandinavischenLänder waren grundsätzlich sehrfrüh bei der Digitalisierung im pädagogischenBereich dabei. Die schwedischeBildungsministerin, Lotta Edholm, wolltenun wissenschaftliche Grundlagen fürdiese Vorgangsweise und beauftragte dasKarolinska-Institut, eine Studie zu erstellen,wie hilfreich die frühe Digitalisierungin Bezug auf die Entwicklung der Kinderist. Die Studien zeigten auf, dass es in diefalsche Richtung geht. Dass die Kinderdeutlich schlechter lesen können als dieKinder, die früher das Lesen aus Bücherngelernt hatten. Die Kinder können auchdeutlich schlechter schreiben ... Daraufhinkündigte die Bildungsministerin an, mehrInvestitionen in gedruckte Lehrmittel zutätigen, da das Lesen in selbigen bessereLernerfolge verspricht.Ähnliches kennen wir von E-Reading-Studien, wo untersucht wurde, wie manam Bildschirm liest bzw. lernt. Man kamzum Ergebnis, dass man am Bildschirmanders liest, schlechter liest und vor allemdas Lesen nicht lernen kann. Was uns Erwachsenen,die wir herkömmlich lesengelernt haben, beim Lesen am Bildschirmgut gelingt, ist das Lesen von Snippets –Überschriften, Satzteile ... – ähnlich demÜberfliegen von Tageszeitungen. Genaudas passiert auch am Bildschirm, wasbedeutet, dass das intensive Lesen nichtstattfindet. Auch im wissenschaftlichenBereich hat man festgestellt, dass bei Textennur Überschriften und Vorspann inErinnerung bleiben – jedoch keine Inhalteund Details. Natürlich informieren auchwir Wissenschaftler:innen uns im Internetüber aktuelle Beiträge, lesen Abstracts etc.– aber immer, wenn ein Fachtext wichtigist, laden wir das PDF runter, drucken esaus, lesen es, markieren Passagen ... BeimLesen auf Papier kann man sich auf das Lesenkonzentrieren, wohingegen man beimLesen am Bildschirm immer abgelenkt ist.Es sei denn, man bringt eine hohe Disziplinmit, schaltet – wenn man liest – allepotenziellen Störungen aus (Nachrichten,Töne ...).Wer sich alles ausdruckt, um es zu lesenund zu bearbeiten, gilt auch rasch als Dinosaurier...Und trotzdem funktioniert es auf dieseWeise unvergleichbar besser. Ich bin derMeinung, dass wenn man digitale Weltenin Schulen Einzug halten lässt, man sichden Einsatz und die Umsetzung auchsehr genau überlegen muss. Ich fände –ab einem gewissen Alter – beispielsweiseauch Laptops besser für die Schüler:innen.Versehen mit einer klaren Steuerung derInternetnutzung bzw. der auf dem Laptoplaufenden Software. Natürlich müssen dieKinder lernen, mit unterschiedlichen Gerätenumzugehen, und es ist auch Aufgabeder Schule, das zu vermitteln. Doch mit jederneuen Studie, die die Qualifikationender Schüler:innen testet, wissen wir, dass32 sortimenterbrief 12/23
wko.at/buchwirtschaftunsere Kinder zusehends weniger können.Das hängt auch damit zusammen, dass siesehr viel Zeit vor Bildschirmen verbringen.Damit ist jedoch nicht das Erledigenvon Hausaufgaben gemeint, sondern SocialMedia, Spiele, Streaming etc. Die Kindermüssen im Umgang mit diesen Mediengeschult werden – sie als Werkzeugnutzen, nicht lediglich zur Unterhaltung.Nach der letzten UNESCO-Studie begannrund ein Drittel der Länder weltweit, privateEndgeräte in den Schulen zu verbieten,um das Suchtpotenzial zu unterbinden.Was nicht bedeutet, dass es in denSchulen keine Laptops oder Computergibt, um Textverarbeitung, Bildbearbeitungoder etwa Videoschnitt zu lernen.Ganz im Gegenteil. Man versucht dadurch,auch das interaktive Miteinander unterden Schüler:innen wieder zu stärken.Wer Kinder hat, kennt auch den sozialenDruck: Der hat ein Smartphone, die einTablet ... andere eine Playstation ... etc.Wie kann man damit umgehen?Der Gruppenzwang ist natürlich eineschwierige Komponente. In Irland hingegengibt es ein Beispiel, wo sich Eltern mitder Schule gemeinsam abgesprochen haben,dass alle Kinder keine Smartphones,Tablets etc. bekommen, dass an der Schulenicht digital gearbeitet wird. Oder beispielswesein den USA, wo es die Initiative „Waituntil 8th" gibt, was bedeutet, dass man sichdafür stark macht, dass die Verwendungvon digitalen Geräten im Unterricht erst abder achten Schulstufe passiert – sowohl privatals auch in der Schule. Es gibt auch eineähnliche Initiative in Deutschland.Im Laufe der Jahre haben sich die Lesegewohnheiten– auch bei den Kinderngeändert: kürzere Texte, deutlich mehrBildanteil. Ist es gut, dem nachzukommen,oder wäre es allgemein ratsamer,am Heben des Niveaus mitzuwirken?Ich denke, dass es der falsche Weg ist,denn Kinder sind durchaus bereit zu lesen.Denken Sie an die dicken Harry-Potter-Bestseller. Man kann Kinder motivieren –das ist auch unsere Aufgabe, als Lehrer, alsEltern, als Gesellschaft. Die Faszinationdes Lesens liegt doch auch darin, welcheVorstellungswelten die Texte in unserenKöpfen auslösen. Die kreative Entwicklungin den Gehirnen funktioniert wenigergut, wenn ich fertige Bilder liefere.Natürlich sind Kinder, wie auch Erwachsene,bequem und nehmen Dinge lieberan, wenn weniger Arbeit damit verbundenist. Deswegen werden Medien mit viel Bildund wenig Text sicher gut funktionieren.Doch dieser Tatsache muss man nicht vorauseilendgerecht werden ...Ein abschließendes Wort ...Wir sind nicht der IT-Welt verpflichtet,sondern den Kindern. Bildungschancenfunktionieren nur dann, wenn Schule alsGemeinschaftsort funktioniert und wennvon qualifizierten Lehrer:innen unterrichtetwird. Lehrer:innen sind nicht nur wichtigzur Wissensvermittlung, sondern auchals Persönlichkeiten. Das ist die Grundvoraussetzung.Was die Unterrichtsmedienbetrifft, so sollen digitale Medien einBegleitmedium für den Präsenzunterrichtdarstellen. Wir brauchen gute Lehrbücherals Basis – ergänzt durch Lehrfilme unddigitale Medien. Wir müssen das gesamteSpektrum ausnützen. Der Kern bleibt diegemeinsame pädagogische Arbeit mit denjungen Menschen. Ich vertrete die Ansicht,dass man digitale Tools – wie derName schon sagt – als Werkzeuge nutztund von Fall zu Fall entscheidet, wie undob man sie einsetzt. So, wie man auch imAlltag manche Strecken mit dem Autofährt, manche mit dem Fahrrad, anderewiederum zu Fuß geht.Danke für das Gespräch!(oh)Ralf LankauKein Mensch lernt digital.Über den sinnvollen Einsatz neuerMedien im UnterrichtBELTZ, 2022, 246 S., Softc., 2. Aufl.ISBN 978-3-407-25903-5, € 28,80 (A)ET: 4/2024 I Ralf Lankau (Hrsg.)Die pädagogische Wende.Über die notwendige (Rück-)Besinnung auf das UnterrichtenBELTZ, 2024, ca. 336 S., SoftcoverISBN 978-3-407-25907-3, ca. € 30,90 (A)Ralf Lankau (Hrsg.)Autonom und mündig amTouchscreen. Für eine konstruktiveMedienarbeit in der SchuleBELTZ, 2021, 214 Seiten, SoftcoverISBN 978-3-407-25889-2, € 30,80 (A)Ralf Lankau (Hrsg.)Unterricht in Präsenz und Distanz.Lehren aus der PandemieJuventa Verlag/BELTZ, 2023,232 Seiten, SoftcoverISBN 978-3-7799-7270-9, € 24,70 (A)sortimenterbrief 12/2333
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