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sortimenterbrief Februar 2021

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Februar 2021.

© privat Teresa

© privat Teresa Petrovitz im Gespräch mit Emil Bobi Ohne Sprache ist nichts wahr – mit Sprache ist alles unwahr Das Interview fand anlässlich des Erscheinens von Emil Bobis erstem Roman Abara Da Kabar statt, in dem er sich mit immenser Sprachkraft einem großen Zeitthema widmet Advertorial Herr Bobi, das Schreiben ist ein wesentlicher Teil Ihres Werdegangs. Sie waren als investigativer Journalist tätig und haben zudem zwei Bücher zu sachbezogenen Themen veröffentlicht. Nun haben Sie Ihren ersten Roman verfasst. Was hat Sie dazu bewogen, sich fiktionaler Literatur zu widmen? Seit wann bestand dieser Wunsch? Bobi: Das geht ganz weit zurück. Als kleines Schulkind dachte ich, das Wort „schreiben“ bedeute genauer gesagt „einen Roman schreiben“. Mein journalistisches Leben war dann reine Vorbereitung auf das Schreiben und keine schlechte Schule. Im Journalismus habe ich wahnsinnig viel gesehen, das ich sonst nicht gesehen hätte, und ich habe viel gelernt, sogar das Sehen selbst. Ich meine, richtig zu sehen, handwerklich, das Gesehene unbeirrt auf seine Substanz einzudampfen, die Dinge auseinanderzuhalten und richtig hinzuhängen. Richtig sehen ist Voraussetzung für das Isolieren von Wahrheit – der journalistischen, mit ihrer spitzen Tatsächlichkeit, wie auch der literarischen, die komplexer, tiefer und wahrer ist, weil sie aus der Verbindlichkeit des Unbewussten kommt. Die Sprache diente Ihnen in Ihrer journalistischen Tätigkeit in erster Linie als Instrument zu Veränderungen auf soziopolitischer Ebene. Sie haben in dieser Hinsicht Wesentliches und Wichtiges bewegt. In Ihrem Roman betrachten Sie die Sprache nun unter einem völlig anderen Blickwinkel, nämlich aus sprachtheoretischer Sicht. Im Zentrum steht dabei unter anderem die Kluft zwischen Gesagtem und Gemeinten. Seit wann begleiten Sie derartige Themen, die Sie nun anhand Ihres Protagonisten – ebenfalls Journalist – aufarbeiten? Bobi: Es heißt: „Wenn die Worte ausgehen, sprechen die Fäuste.“ Diese Analyse kam mir immer schon verdächtig zutreffend vor. Also wollte ich wissen, welche Rolle die Sprache am Zustand der Welt spielt. Eine Sprache, die als solche niemals hinterfragt wurde, die immer nur für das verantwortlich gemacht wurde, was sie kann, aber nie für das, was sie nicht kann. Sie wird als wunderliches Kommunikationssystem beforscht, aber niemand beforscht, ob sie überhaupt ein Kommunikationssystem ist. Obwohl Kommunikation im engeren Sinn mit ihr genau genommen nicht möglich ist. Hier tritt die Kluft zwischen Gemeintem und Gesagtem auf, die allgegenwärtig ist, wo Menschen versuchen, sich auszutauschen. „Du verstehst mich nicht“ oder „Das habe ich nicht gesagt“ sind vermutlich die am öftesten ausgesprochenen Sätze der Menschheit. Beim Schreiben spürt man die Kluft noch deutlicher als beim Sprechen, denn Schreiben ist verbindlicher. Dabei kommt man sehr deutlich mit den Grenzen der Sprache in Berührung. 16 sortimenterbrief 2/21

Ihr Protagonist durchlebt – gerade aufgrund seiner Einsichten zum Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit – eine Krise seiner Identität und bricht schließlich nach Marokko auf, um „außersprachlich“ zu werden. Welche Verbindung haben Sie persönlich zu diesem Schauplatz Ihres Buches? Bobi: Ich war oft in Marokko und ich war auch während der Arbeit an diesem Buch wieder einmal dort, auch um Luft zu schnappen, weil ich steckengeblieben war und nicht wusste, wo und wie der Roman weitergeht. Und da saß ich also in Marokko im vorzeitlichen Bergdorf und sah, wie er weitergeht: So. Genau so, wie es vor meinen Augen ablief, ging es weiter. Der Schauplatz hat sich in die Geschichte hineingespielt. Was hat es mit dem Titel Ihres Buches – Abara Da Kabar – auf sich? Bobi: Das kommt aus der Sprachmystik, die von einer Ur-Sprache berichtet, aus der alles hervorgeht. Nicht nur die anderen Sprachen, sondern alles, was existiert. Eine Sprache mit Schaffenskraft, die in die Welt setzt, was sie ausspricht. Schwingende Felder, Wellenmuster, den Stoff, aus dem alles im Universum besteht. Die Aufspaltung der Ureinheit war sozusagen ein Akt der Sprache. Ent-Sprechung. Diese Sprache beschreibt den Stoff nicht, sie ist der Stoff. Aber was Abara da Kabar genau bedeutet, müssen Sie sich erlesen. Im Gegensatz zum journalistischen und damit eher nüchternen Stil hatten Sie in Ihrem Roman nun die Möglichkeit, sprachlich neues Terrain zu betreten. Auf den ersten Blick fällt der Metaphernreichtum auf. Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Bobi: Alles an der Sprache sind Metaphern, nicht nur die Metaphern. Jedes Wort ist eine Metapher. Ein Wort ist nur ein Kennwort, das etwas wachruft. Sprache bildet nie die Realität ab, sie deutet mit Gleichnissen auf eine Realität hin, die sich jeder selbst vorstellen muss. Aber Sie haben schon recht: Die Erzählsprache des Romans selbst will die These von der Kaputtheit der Sprache konterkarieren, mit Verspieltheit, Facettenreichtum, Klarheit, Präzision. Aber Stil? Eigentlich habe ich gar keinen Stil, sondern kämpfe nur Satz für Satz um Lebendigkeit und Echtheit. Einen Stil haben würde implizieren, dass man etwas im Griff hat und beliebig gestaltet, aber ich habe gar nichts im Griff, ich kämpfe nur um etwas. Da möchte ich fast meinen Protagonisten Herrn Baumhackl zitieren, der irgendwann sagt: „Ein richtiger Schreiber kann nicht schreiben.“ Emil Bobi Abara Da Kabar. Die Rückreise 384 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-7025-1015-2 € 24,– | Verlag Anton Pustet, ET: Februar Gibt es dennoch literarische Vorbilder, die Ihnen als Anhaltspunkt dienen? Bobi: Literatur ist vorbildfrei, wenn sie echt sein will. Es gibt viele große Schreiber, aber ich glaube, sie sind so groß, weil sie alle keine Vorbilder hatten. Literatur will selbst sein. Mit Vorbildern ist das alles nur Karaoke-Literatur. Schreiben Sie zu festgelegten, regelmäßigen Zeiten? Oder erlauben Sie sich mehr Freiheiten? Bobi: Ich erlaube mir alles, was mich einen Meter weiterbringt. Ich schreibe, novitäteninterview wann ich kann, fast immer in der Früh, teils viel zu früh, mein Hirn muss leer und bereit sein und frisch. Ich würde gern mehr und länger als einige Stunden schreiben, nachmittags, abends, aber ich kann nicht. Wie gern würde ich einmal eine Nacht durchschreiben. Aber ich glaube, das gibt es sowieso nicht, das erzählen nur die Angeber. Welchen Herausforderungen sahen Sie sich im Schreibprozess darüber hinaus ausgesetzt? Bobi: Die Geschichte entwickeln und verfassen war die ganz große Konfrontation mit mir selbst. Allein die Klärung der Frage, wer hier nun eigentlich redet, wenn die Geschichte erzählt wird, hat mich an den Rand der Schizophrenie gebracht. Wer ist diese Stimme, wie redet sie, was redet sie, warum redet sie und was will sie überhaupt? Auch mein Konflikt mit dem Protagonisten war lebendiger, als ich es für möglich gehalten hätte. Ich habe versucht, mich nicht in die Geschichte einzumischen, und ich musste aufhören, für seine Handlungen erklärungspflichtig zu sein. Ich musste ihn loslassen und sagen: „Mach was du willst. Ist mir doch scheißegal.“ Ab da ging es. Haben Sie bezüglich Ihres Autoren- Daseins Wünsche für die Zukunft? Denken Sie bereits an einen weiteren Roman? Bobi: Ich denke an meinen nächsten Roman. Ich werde nichts mehr anderes machen, als Romane schreiben. Hier ist mein erster. Ich habe lange gewartet. Viel früher sollte man ja auch keinen schreiben. Ein Roman muss etwas wissen, das über ihn selbst hinausgeht. Und wie soll ein Grünschnabel das anstellen? Wie soll man vom Leben berichten, wenn man es nicht gesehen hat? Ein Roman ist wie eine Reportage aus dem Leben. Da muss man hinfahren, sonst ist das keine Reportage. Danke für das Gespräch! sortimenterbrief 2/21 17


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