fachverband aktuell buchwirtschaft.at Sonderteil des Fachverbandes der Buch- und Medienwirtschaft/Text: Ernst Wachernig Die BuchpreisBinDung als Instrument zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt Die Buchpreisbindung ist ein wesentliches Puzzlestück in Österreichs Bildungs- und Kulturpolitik. 2000 wurde sie in das Bundesgesetz über die Preisbindung gegossen. 2014 führte sie eine Gesetzesnovelle in die Zeit des internationalen Onlinehandels. Eine Erfolgsgeschichte, möglich gemacht durch den Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft. Was lange als Eingriff in die freie Marktwirtschaft interpretiert worden ist, hat man letztlich per Gesetz zementiert. Doch der Weg dahin war ein dorniger, zu vehement versuchten Gegner über Jahrzehnte die Buchpreisbindung zu kippen, um das Kulturgut Buch zu einer beliebigen Ware des Marktes zu machen und es in der Folge im Sinne von Diskontartikeln zu verschleudern. Ein Effekt daraus ist heute klar: Die inhaltliche Vielfalt von Büchern wäre ohne Buchpreisbindung auf dem Altar des Konsums geopfert worden, Autoren hätten keine Verleger gefunden, um auch kleine Auflagen von Prosa, Lyrik und Avantgarde zu veröffentlichen. Die über Jahrhunderte fein modellierte Landschaft der diversen Schreib- und Stilrichtungen wäre © Foto Mitteregger in wenigen Jahren von wenigen Bestseller-Produzenten in der Manier eines Bulldozers platt gemacht worden. 2019: Jüngster Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof Diese konsequente Arbeit des Fachverbandes in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Dr. Bernhard Tonninger zeitigt immer wieder Erfolge vor Gericht bei Verstößen gegen das Preisbindungsgesetz. Ein Fall aus 2018 – ein österreichischer Verlag wollte mittels Gutscheinen die Preisbindung umgehen – wurde ausjudiziert, der Vorgangsweise wurde vom Obersten Gerichtshof ein Riegel vorgeschoben. Neben diesen zahlreichen aktuellen Erfolgen zur Buchpreisbindung lohnt auch ein Blick in die jüngere Geschichte, um die Erfolge des Fachverbandes in dieser Causa zu beleuchten. Erfolge, die nicht selbstverständlich sind, da dahinter immer langwierige politische Entscheidungsprozesse liegen. 2014: Die Gesetzesnovelle vom 23. Oktober An diesem Tag wird die Zukunft der Buchpreisbindung in Österreich mit großer Mehrheit von den Abgeordneten des österreichischen Nationalrates beschlossen. Was viele aufs Erste wie kleine Änderungen im Gesetzestext sehen, hat große Auswirkungen. „Durch die explizite Einbeziehung von E-Books in die Buchpreisbindung sowie die Streichung der „Die Buchpreisbindung macht es den Buchhändlern möglich, zu den jungen Lesern zu kommen und Leseförderung zu forcieren. Damit ist sie ein wesentlicher Generator der Leser von morgen!“ Komm.-Rat Friedrich Hinterschweiger, Obmann des Fachverbandes Ausnahme für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel ist sichergestellt, dass das Gesetz seine kultur- und gesellschaftspolitischen Ziele in dem sich ändernden Marktumfeld weiterhin erreichen kann“, kommentiert Bernhard Tonninger die marktrelevanten Effekte dieser Novelle. 2009: Die Weisheit des Europäischen Gerichtshofes Als Basis für diese „österreichische Lösung“ des Jahres 2014 dient eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), gefällt fünf Jahre zuvor in Luxemburg. Darin ist zu lesen, „dass der Schutz des Kulturgutes Buch Einschnitte in den freien Warenverkehr rechtfertigen kann“. Klar in diesem Kontext ist auch, dass kleine Märkte wie Österreich davon im speziellen profitieren, da etwa zwei Drittel der Bücher importiert werden. Und: Die Novelle lässt Gesetzesumgehungen internationaler Konzerne nicht länger zu. Österreichs Buchbranche als kulturelles Rückgrat Die Buchpreisbindung mag einigen nach wie vor „marktregulierend“ erscheinen – die gelebte Praxis ist jedoch belegt durch hunderte heimische Autoren, die mit österreichischen Verlagen fantastische Bücher auflegen. Die Buchpreisbindung ist somit ein (einigermaßen sicherer) Garant für die Erhaltung des Vertriebsweges von Literatur durch Buchhandlungen. „Die Buchpreisbindung macht es den Buchhändlern möglich, zu den jungen Lesern zu kommen und Leseförderung zu forcieren. Damit ist die Buchpreisbindung wesentlicher Generator der Leser von morgen!“, freut sich Friedrich Hinterschweiger über die Effekte der Buchpreisbindung. Fortsetzung auf Seite 30 28 sortimenterbrief 1/20
fachverband aktuell Höchstgericht verbietet „Umgehung der Buchpreisbindung“! Meilenstein für die Buchbranche: Oberster Gerichtshof (OGH) schiebt Umgehungen der Buchpreisbindung mit Gutscheinen einen Riegel vor. Die Entscheidung hat auch über den Einzelfall hinaus große Bedeutung. Der Anlassfall Mitte November 2018 wurde RA Dr. Bernhard Tonninger, der vom Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft seit dem Jahr 2005 als Buchpreisbindungstreuhänder eingesetzt ist, über folgenden Sachverhalt informiert:Auf der Plattform der Weekend Online GmbH (Weekend) wurden Gutscheine einer Buchhandelskette im Wert von 100 € zum Preis von 75 € angeboten, wobei die Gutscheine als „Thalia-Bücher“ bezeichnet wurden. Diese Gutscheine wurden nicht nur auf der Online-Plattform, sondern auch österreichweit in den „Weekend“-Magazinen sowie auf Facebook mit Slogans wie „Nur für kurze Zeit“ und „Bücher-Fans aufgepasst!“ beworben. In den Weekend-Magazinen waren im Jahr 2018 zudem viele Inserate der Buchhandelskette zu finden. Nach einem Testkauf erfolgte eine Abmahnung durch die Preisbindungskanzlei. Weekend verantwortete sich im Wesentlichen damit, dass man die Gutscheine selbst zum Nominalwert gekauft habe. Da man nur Gutscheine und keine Bücher verkaufe, sei das Buchpreisbindungsgesetz (BPrBG) gar nicht anwendbar, weil sich dieses nur an Letztverkäufer von Büchern richte. Das Gerichtsverfahren Da Weekend nicht einlenkte und die Werbemaßnahmen für die Gutscheine in der Vorweihnachtszeit sogar noch verstärkte, hat der Fachverband der Buchund Medienwirtschaft Dr. Tonninger damit beauftragt, Klage, verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung, einzubringen. Das zuständige Landesgericht Linz hat fast postwendend Mitte Dezember 2018 die Einstweilige Verfügung erlassen, worauf Weekend den ermäßigten Verkauf von Thalia-Gutscheinen unmittelbar einzustellen hatte. Weekend bekämpfte die Entscheidung durch alle Instanzen. Nachdem schon im April 2019 das Oberlandesgericht Linz die Einstweilige Verfügung bestätigt hatte, bestätigte nunmehr auch das Höchstgericht die Einstweilige Verfügung mit einer bemerkenswerten Entscheidung, in der man der Argumentation der Preisbindungskanzlei im Wesentlichen gefolgt ist. Der OGH befand die Entscheidung offenbar selbst als besonders wichtig, was die unmittelbare Veröffentlichung auf der Website des OGH unter dem Schlagwort „Umgehung der Buchpreisbindung“ unter Beweis stellt. Die Begründung des Höchstgerichts Nachdem sich der zuständige Senat eingehend auch mit der deutschen Rechtslage und dem Schrifttum beschäftigt hat, hält er fest, dass er die Auffassung vertritt, dass bei der Auslegung von Preisbindungsgesetzen grundsätzlich von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen ist. Zu berücksichtigen sei weiters das zentrale Anliegen des BPrBG, einen Preiswettbewerb zwischen Buchhändlern zum Schutz der Büchervielfalt und der Versorgung der Bevölkerung mit Büchern zu verhindern. Dass im konkreten Fall ein Händler zwischengeschaltet ist, ändere nichts daran, dass die verbilligt abgegebenen Gutscheine aus der Sicht des Letztverbrauchers auch preisgeregelte Bücher repräsentieren. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei Weekend daher wertungsmäßig den vom BPrBG angesprochenen Letztverkäufern gleichzuhalten, sodass die hier einschlägigen Bestimmungen des BPrBG auch für das Geschäftsmodell von Weekend analog anzuwenden sei. © Thomas Schauer Rechtsanwalt Dr. Bernhard Tonninger Die Auswirkungen der Entscheidung Buchpreisbindungstreuhänder Dr. Bernhard Tonninger fasst die Bedeutung der Entscheidung wie folgt zusammen: „In der Praxis sind durch die Tätigkeit der Preisbindungskanzlei klare Verstöße gegen die Buchpreisbindung selten geworden. Wie im Anlassfall kommt es jedoch immer wieder vor, dass große Marktteilnehmer mit oft aufwendig angelegten und schlecht nachweisbaren Aktionen die Buchpreisbindung zu umgehen versuchen. Auf diese oft gefinkelten Umgehungsversuche hat der Gesetzestext des BPrBG vielfach keine expliziten Antworten parat, weshalb wir schon immer bei der Beurteilung von Handlungen insbesondere auch deren Intention und Auswirkungen auf den Markt miteinbezogen haben. Mit der vorliegenden Entscheidung hat das Höchstgericht nun ausdrücklich bestätigt, dass es möglich ist, Lücken im Buchpreisbindungsgesetz aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise mittels Analogie zu schließen. Die Entscheidung hätte sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung nicht besser ausfallen können: Einerseits gebietet die Entscheidung Umgehungsversuchen der Buchpreisbindung durch Gutscheine Einhalt, andererseits wird die Begründung des OGH jedoch auch auf die Beurteilung vieler anderer Sachverhalte Auswirkungen haben und dabei helfen, Umgehungsversuche im Sinne aller gesetzestreuer Marktteilnehmer möglichst rasch abzustellen. Das ist ein Meilenstein für die Buchpreisbindung und somit für die gesamte Buchbranche.“ sortimenterbrief 1/20 29
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