Ossi Hejlek im Gespräch mit Karl Pus ˇ »Dass ich damals Buchhändler wurde, war eher ein Unfall« Nachdem Robert Ivancich Ihre Buchhandlung mit Jahresende übernommen hat, stellt sich die Frage, wo man Karl Pus ˇ künftig trifft? Pus: ˇ Auf meinem Motorrad auf der Straße (lacht). Wir haben auch das Haus in Purkersdorf vermietet – Christina und ich ziehen ins Burgenland nach Breitenbrunn am Neusiedlersee. Weit genug entfernt, damit uns die Gelsen nicht verschlingen, nah genug, dass wir den Neusiedlersee noch sehen. Zum Abschluss Ihrer Karriere interessiert es mich nach Jahrzehnten der Wegbegleitung: Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie Buchhändler wurden? ich Bücher ausführen – für die Buchhandlung Alfred Auf im neunten Bezirk. Die Buchhandlung gibt es immer noch, sie wird erfolgreich von den Hartliebs geführt. Irgendwie blieb ich picken. Nach der Matura machte ich in der Buchhandlung Auf meine Lehre – das war eine harte Schule bei Gisela Rotter. Da ich mit Brigitte Godai in die Schule ging, begann ich auch für die Buchhandlung Godai Botenfahrten zu übernehmen, stieg immer mehr in die Tiefen der Buchhändlerei ein. Wann machten Sie sich selbstständig? Pus: ˇ Es war 1992, als ich Godai verließ, ich arbeitete dann zwei Jahre für eine Motorrad-Zeitung. 1994 eröffnete ich meine erste !Bestseller-Buchhandlung im Multiplex-Center in der SCS in Vösendorf. Es folgten weitere Standorte: im Millennium Tower, ein drittes Geschäft in St. Pölten und Ende 2007 übernahm ich diese Filiale im Ekazent in Hietzing, die es als einzige noch gibt. Haben Sie damals unter Helmut Godai auch schon hier in Hietzing gearbeitet? Pus: ˇ Ja. Es war die Zeit, als in den frühen Siebzigerjahren Karl Schranz hier sein Buch präsentierte. Ich hatte damals die ehrenvolle Aufgabe, ihm jedes Buch zum Signieren zu öffnen. Wenn man so mag: Nach einer großen Buchhandelsrundreise bin ich wieder nach Hietzing heimgekehrt (lacht). Sie waren Ihr Leben lang einer der besonders aktiven Buchhändler. Woran denken Sie gerne zurück? Alle Fotos: © Verlagsbüro Schwarzer Pus: ˇ Dass ich damals Buchhändler wurde, war eher ein Unfall (lacht). Ich war mit 17 Jahren Vollwaise, suchte mir immer Ferialjobs, um meine magere Waisenpension aufzubessern. Mit 18 Jahren hatte ich eine Freundin, die Au-pair in England machte. Ich wollte sie besuchen, kam jedoch mit dem alten geerbten VW meiner Mutter tatsächlich nicht über die Stadtgrenze. Normalerweise war ich im Sommer immer Kellner im Salzkammergut. Da ich aufgrund des Autoschadens unvorhergesehen dableiben musste, ging 70 sortimenterbrief 1/22
karl pus ˇ geht motorrad fahren ... Pus: ˇ Wenn mich Helmut Godai temporär vom Hals haben wollte, schickte er mich auf die damaligen internationalen Jungbuchhändler-Kongresse. Dorthin fuhr ich zehn Jahre lang, und es machte mir große Freude. Interessant war, dass die Sorgen der Buchhändler weltweit dieselben waren: zu billige Bücher, zu geringe Margen ... Wir sahen damals erstmalig in Barcelona den Día del Libro – den Tag, an dem alle Männer ihren Frauen Rosen und die Frauen ihren Männern ein Buch schenken. Ein wahrer Festtag für alle Buchhändler – der umsatzstärkste Tag des Jahres für alle katalanischen Buchhändler. Das wollten wir in Form der „Phantastischen Buchtage“ hierzulande umsetzen – gemeinsam mit Herwig Bitsche und Kurt Hamtil, später stieß auch Franz Schubert dazu. Es war eine sehr bewegte Zeit. Der damalige Wiener Bürgermeister, Helmut Zilk, unterstützte alle unsere kulturellen Vorhaben. Irgendwann übernahmen Sie dann auch die Obmannschaft der Fachgruppe Niederösterreich in der Wirtschaftskammer? Pus: ˇ Vorerst war ich Stellvertreter. Wolfgang Alexowsky sollte damals vom Badener Kollegen Braun den Obmann übernehmen, was aber aufgrund seiner Trafik doch nicht ging. Das hatte zur Folge, dass ich 2002 die Obmannschaft erbte ... und bis 2019 ausfüllte. Eine lange Zeit! 2019 übernahm dann Irene Alexowsky das Ruder, meine erfahrene Stellvertreterin. Das war eine optimale Lösung für Niederösterreich. verankert – da haben die Buchhändler noch etwas Nachholbedarf. Aber es wird. Manches passiert ja im Lobbying- Bereich auch Schulter an Schulter. Laut einer aktuellen Entscheidung des EU- Rats Wirtschaft und Finanzen zählen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften zu den Gütern, die den Grundbedarf der Menschen bedienen und deshalb noch stärker steuerlich begünstigt werden können. Umso mehr frustriert und beschämt es, dass Österreich den Steuersatz für das nächste Jahr wieder anhebt. Das verbessert den Staatshaushalt so gut wie gar nicht, entzieht der Branche aber Budgets für die notwendige digitale Aufrüstung. So werden wir mit dem Kulturgut Buch im Kampf gegen die US-Giganten nicht bestehen können! War es eine schwere Entscheidung, die Buchhandlung zu übergeben, also an Robert Ivancich zu verkaufen? Pus: ˇ Es gab mehrere Interessenten für das Geschäft. Mit Robert war ich mir dann schnell einig. Ein paar Mails und ein Treffen – mehr brauchte es nicht, um zu einem Handschlag zu kommen. Wie würden Sie die nahe Zukunft der Buchbranche einschätzen, was sind die wichtigsten Aufgaben, die es als Buchhandlung zu erfüllen gilt? Pus: ˇ Für das Sortiment: auf regionale Titel setzen, Kinder- und Jugendbuch pflegen! Für den wirtschaftlichen Erfolg wäre der reduzierte Mehrwertsteuersatz, möglichst 0 %, ein enorm wichtiger und hilfreicher Punkt gewesen, denn es gilt, in Richtung Zukunft den Onlinebereich zu finanzieren. Wir haben in den vergangenen beiden Corona-Jahren erlebt, worauf es ankommt, welchen Stellenwert Onlinesichtbarkeit hat. Da sprechen wir gar nicht mehr von einem funktionierenden Shop – der ist Grundvoraussetzung. Sichtbarkeit bedeutet: Social Media, Podcast, Live- Videostreams und und und. Wer mit diesen Technologien auf Du und Du ist, wird sich bedeutend leichter tun. Dafür braucht es mittlerweile eigene Fachkräfte, die sich all dem widmen, und natürlich entsprechende Budgets. Viele haben das in den letzten Jahren nicht nur gemerkt, sondern auch umgesetzt. Und ja: Wer online erfolgreich ist, kann durchaus seinen Webshop zum Umsatz-Stellenwert einer eigenen Filiale aufbauen. Viel freie Zeit steht Ihnen bevor, was werden Sie mit ihr anfangen? Pus: ˇ Ich habe vor, aktiv und beweglich zu bleiben (lacht). Christina, meine Frau, wird mich auf meinen Motorradtouren begleiten – von der mobilen Altenpflege sind wir als Arbeitsmodell für sie ja noch ein wenig entfernt ... Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft! 2005 wurden Sie sogar zum Präsidenten des Internationalen Buchhändlerverbandes (IBF) ernannt – eine eindrucksvolle Zeit? Pus: ˇ Das war eine sehr schöne Aufgabe. Man kommt dadurch auch viel herum: Südafrika, China, Russland, Korea ... Natürlich musste ich auch immer wieder nach Brüssel. Am internationalen Parkett sind die Verlagsverbände besser sortimenterbrief 1/22
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