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sortimenterbrief jänner 2023

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Jänner 2023.

© Apollonia

© Apollonia BitzanAdvertorialTeresa Petrovitz im Gespräch mitRaphaela EdelbauerDer facettenreiche neueWien-Roman der preisgekröntenSchriftstellerinIhr neuer Roman Die Inkommensurablenist ein thematisch sehr dichterhistorischer Roman, in dem unter anderemIhr Interesse für Philosophie,Psychologie und gesellschaftspolitischeThemen einfließt. Wie lange haben Siean Ihrem neuen Roman geschriebenund welche Idee stand am Anfang?Edelbauer: Ich habe an Die Inkommensurableninsgesamt zwei Jahre geschrieben,wie es übrigens auch bei meinenanderen Büchern der Fall war. Wenn ichzu schreiben beginne, habe ich zumeistbereits das gesamte Buch im Kopf. DieHandlung und die Seitenthemen sindwie in einem Guss auf einmal da. Ich binalso keine Schriftstellerin, die erst beimSchreiben ihre Figuren oder Handlungssträngeentwickelt. Das Durcheinandervon Biografien und thematischen Komplexenin meinem Buch war von Anfangan in mir vorhanden.Der Roman spielt in Wien am Vorabenddes Ersten Weltkriegs. Wir begleiten dreijunge Menschen mit unterschiedlichemKlassenhintergrund dabei, wie sie dieseStunden einer alles ergreifenden Kriegsbegeisterunggemeinsam erleben undwahrnehmen. Wer einen Geschichtsromanschreibt und die Vergangenheitnicht nur als pittoresken Hintergrundverwendet, hat ja zumeist vor, auch aufdie Gegenwart zu verweisen. War dasbei Ihnen auch der Fall? Was hat Sie andieser historischen Phase interessiert?Edelbauer: Mich hat vor allem das ThemaMassenpsychologie angesprochen.Dazu hingeführt hat mich ein Ereignis,das sich vor etwa zwei Jahren in Stuttgartereignet hat. Damals kam es zu Ausschreitungen,an denen sich spontanmehrere hundert Menschen beteiligten,die randalierend durch die Stadt zogen.Dazu kam das Formieren der Covid-Leugner:innen, die anfingen, sich gemeinsamWahnvorstellungen hinzugebenund in der Medizin unstrittige Faktenund Erkenntnisse als Hirngespinsteabzutun. Auch der Erste Weltkrieg warein Sammelbecken für Massenphänomene,weshalb ich ihn dann in meinemBuch aufgegriffen habe. Dass dann tatsächlichein Krieg in Europa ausgebrochenist, hatte ich beim Entwerfen desRomans natürlich nicht am Schirm.Vielleicht kann man sagen, dass es sichum einen Zufall gehandelt hat, der keinerwar. Dass in unserer Gesellschaftseit Längerem eine gewisse Form vonAggression schwelt, die sich dann auchin diesem geschichtlichen Ereignis entladenhat. Als Schriftstellerin nimmtman derartige Tendenzen natürlichwahr und ins eigene Werk auf.Ihr Roman ermöglichte es Ihnen zudem,das vergangene Wien der k. u. k.-Zeit auferstehen zu lassen. Sie zeigendabei eine im kulturellen Gedächtniseher unbekannte Seite, indem SieIhre Hauptdarsteller:innen durch das„queere Wien“ streifen lassen. Wie ist esIhnen hier mit Blick auf die Quellenlageund bei den Recherchen ergangen?Edelbauer: Ganz allgemein muss ich sagen,dass ich es mir mit der Wahl Wiensals Handlungsraum in gewisser Weiseleichtgemacht habe. Wien ist meine Heimatstadt,ich kenne sie in und auswendigund jeden versteckten Winkel. Vielesschrieb sich somit von selbst. Ich wussteauch über den behandelten Zeitraumeiniges. Für meine Recherchen habeich dann eine Menge Archivmaterialund Fachliteratur gesichtet. Die damaligenZeitungen geben ein gutes Bild derStimmungslage dieser Zeit. Ich war aber24sortimenterbrief 1/23

wien am vorabend des ersten weltkriegsauch in Serbien, um die andere Sicht aufdiesen Krieg kennenzulernen, was sehrfaszinierend war. Was die Recherchenzum „queeren Wien“ und somit in derGeschichte marginalisierte Bereicheoder Subkulturen betrifft, war es tatsächlichschwierig, an Informationenzu kommen. Als Quellen gibt es hier oftnur verschriftlichte Erzählungen vonAugenzeugen oder Berichte, die auf Hörensagenaufbauen.Eine wichtige Rolle in Ihrem Buch spielenauch Träume bzw. kollektive Träume,wodurch die gerade für Wien umdie Jahrhundertwende bedeutsamePsychoanalyse Freuds zur Sprachekommt …Edelbauer: Wobei ich persönlich keinenbesonderen Zugang zur Psychoanalysehabe. Wer das Buch liest, wird auchsehen, dass es darin zu einer kritischenBestandsaufnahme kommt.Sie haben zur Entstehung Ihres Romansimmer wieder in den Sozialen Medienkommuniziert, in denen Sie sehr präsentsind. Sie posten auf Twitter und derAlternativ-Plattform Mastodon sowieauf Instagram. Auf YouTube sind Sieebenfalls aktiv. Für Schriftsteller:innensind Soziale Medien oft ein zweischneidigesSchwert. Einerseits bieten sie Möglichkeitender direkten Interaktion mitden Leser:innen, andererseits werdenfrüher getrennte Rollen durchlässiger.Man bietet auch viel mehr Angriffsfläche,die Betreuung der Accounts ist zeitintensiv.Wie nehmen Sie diese Widersprüchewahr?Edelbauer: Ich sehe meine Social-Media-Profile als Privataccounts an, sowie sie heutzutage fast jeder und jedehat. Ich verbinde damit keine negativenErfahrungen. Ich sehe sie eher als Chance.Mein YouTube-Account hebt sichinsofern ab, als meine Videos natürlichzeitintensiver sind, sie entstehen nichtvon selbst. Hier lasse ich viele meinerGedanken einfließen. Ich sehe die SozialenMedien im Grunde genommen alszeitgenössische Form des Kommunizierens,wobei für mich Unterschiede zwischenöffentlicher und privater Kommunikationkeine Rolle spielen.Sie haben im März dieses Jahres mit SimonNagy ein neues Kunst-Projekt entwickelt,das Ihnen sehr am Herzen liegt:die Pataphysische Gesellschaft, mit derSie bereits im Wiener Volkstheater aufgetretensind. Was kann man sich daruntervorstellen?Edelbauer: Ein Charakteristikumder Gesellschaft ist, dass man sie leidernicht gut erklären kann (lacht).Aber man könnte sagen: Formal handeltes sich dabei um einen Verein, auskünstlerischer Sicht haben sich hier bisheute um die hundert Menschen mitunterschiedlichem künstlerischen Anspruchzusammengefunden. Aber auchWissenschaftler:innen sind dabei oderauch Menschen, die bisher wenig Berührungmit Kunst hatten. Gemeinsam gestaltenwir Happenings, Workshops undEvents, wie eben das im Volkstheaterim letzten Oktober. Unser Ziel ist es, dasWiener Kulturleben mit unserer absurdistischenKunst zu bereichern.Zum Vorbild haben Sie sich vor allemavantgardistische Kunstströmungender Vergangenheit genommen.Edelbauer: Unser Kunstverständnis istmit dem der Dada-Strömung oder denfranzösischen Pataphysiker:innen wesensverwandt.Auch die experimentelleKünstlergruppe Oulipo, die in den 60ernin Frankreich entstand, steht uns konzeptionellnahe.Auf Ihrer Website steht, dass die künstlerischenEntscheidungen basisdemokratischgetroffen werden ...Edelbauer: Wir versuchen zumindest,alle Entscheidungen einvernehmlich zutreffen. Da wir ein Verein sind, ist es notwendig,dass es Hauptverantwortlicheund einen Vorstand gibt, aber abseitsdavon ist es unser Anspruch, so demokratischwie möglich zusammenzuarbeiten.Neben diesem Projekt sind Sie auch anderweitigsehr umtriebig: Sie unterrichtenam Institut für Sprachkunst in Wienund sind kürzlich aus den USA zurückgekehrt.Edelbauer: Dort war ich erstmals aufLesereise mit der englischen Übersetzungmeines letzten Buches Das flüssigeLand.Schreiben Sie schon an einem neuen Roman?Edelbauer: Kurz vor der Fertigstellungvon Die Unkommensurablen habe ichden ersten Satz meines neuen Romansgeschrieben. Ich bin also wieder sehr beschäftigt.Wird es zu Die Inkommensurablen Lesungengeben?Edelbauer: Es gibt Termine, wobei ichmit Blick auf Lesungen etwas kürzertrete,um mich mehr auf das Schreibenkonzentrieren zu können.Herzlichen Dank für das Gespräch!Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen352 Seiten, Hardcover, mit SchutzumschlagISBN 978-3-608-98647-1, ca. € 25,70Klett-Cotta, ET: 14. Jännersortimenterbrief 1/2325


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