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sortimenterbrief Juli/August 2019

Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli-August 2019

Advertorial © Jan

Advertorial © Jan Ludwig Ossi Hejlek im Gespräch mit Erwin Thoma »Der Wald lebt uns vor, wie Kommunikation und Miteinander das Leben fördern und stärken.« Wie kamen die Bäume in Ihr Leben? Thoma: Ich bin in Bruck an der Glocknerstraße aufgewachsen. Verbrachte meine Kindheit oft im Wald. Ich erlebte, wie im Wald mit den Bäumen gearbeitet wurde, aber auch, dass der Wald ein Reservoir an Nahrungs- und Heilmitteln ist. Dann machte ich die Berufsausbildung zum Förster. Es bot sich mir eine Förster-Stellung im Karwendelgebirge in Tirol, die ich annahm. Es war das Abgelegenste, was Österreich zu bieten hat (lacht). Damals war ich der jüngste Förster Österreichs. Der Großvater meiner Frau übte damals mit 80 Jahren noch sein Zimmermanns-Handwerk aus. Wir hatten ein inniges Verhältnis. Ich wollte lernen, was er wusste, wollte, dass sein altes Wissen nicht verlorengeht. Und so geschah es dann auch? Thoma: Nicht gleich, denn er sagte:, „Ich kann dir das nicht lernen. Lernen kann man nur etwas, das man tut!”. Eine weise Antwort, die für das Bildungssystem richtungsweisend wäre ... Das verstand ich, kündigte meinen Förster-Job ... und lernte. Wir begannen dann Holzhäuser zu bauen, gründete mit dem Opa ein Unternehmen. Es war eine tolle Zeit, denn ich erfuhr von ihm Dinge, die ich in meiner ganzen Förster-Ausbildung noch nie gehört hatte. Er wusste Sachen, die eine unheimliche Relevanz auch für eine neue Zeit hatten. Ich staunte, saugte sein Wissen auf und führte Tagebuch. Daraus entstand mein erstes Buch. Das aktuelle Buch ist schon das neunte. Wie ging es weiter? Thoma: Mit den Büchern erreichte ich eine riesige Leserschaft, bemerkte aber, dass es notwendig war, tradiertes Wissen mit naturwissenschaftlichen Methoden zu prüfen und zu verifizieren. So gründete ich eine Forschungsabteilung, ging somit nebenbei in die Holzforschung. Wir konnten viele Patente anmelden. Beispielsweise begannen wir die ersten energieautarken Holzhäuser zu bauen – vom kleinen Einfamilienhaus bis zum 12-geschossigen Bürogebäude mit sortimenterbrief 7-8/19

novitäteninterview 3.000 Arbeitsplätzen. Die Häuser kommen ohne Dämmstoffe aus, sind und bleiben gleichzeitig abfallfrei. Wir können von der Natur vieles lernen! Diesen Bereichen haben Sie Ihr neues Buch, Strategien der Natur, gewidmet? Thoma: Durch die gesellschaftliche Entwicklung hat der Wald eine unglaubliche Relevanz bekommen. Seit der Nachkriegszeit verschwand das alte Wissen darüber sukzessive. Heute stehen wir vor großen Aufgaben zum Erhalt der Umwelt. Das Buch gibt jedem Anregungen, die Natur in sein Leben zu lassen. Sie beginnen im Buch 500 Millionen Jahre vor heute ...? Thoma: Wir müssen uns der Wurzeln bewusst werden – wie das Leben aussah, bevor die Vegetation entstand, welche Aufgaben die Pflanzen bzw. Bäume erfüllen, welche Lebensgrundlage sie für uns sind. Wir haben die Verbundenheit zur Natur verloren. Nüchtern betrachtet ist der Wald der radikale Gegenentwurf zu dem, was wir Menschen heute tun. Wald ist eine Gemeinschaft, in der Wettbewerb stattfindet, aber immer in bestimmten Grenzen. Sind Bäume erwachsen, hören sie mit jedem Wettbewerb auf. Der Wald lebt uns vor, dass Kooperation und Miteinander das Leben immer wesentlich besser fördern und stärken als eine Ego-Gemeinschaft, in der der Stärkste gewinnt. Der Baum kennt Begriffe wie Abfall oder Ressourcenverbrauch nicht. Er holt sich die Energie dezentral und leistet seine Aufgaben so, dass es für die Generationen nach ihm immer möglichst besser wird – keinesfalls schlechter. Hat ein Baum eine Verletzung, versorgt er sich selbst – Wundheilung, Vitalerhaltung der Zellen ... das ist faszinierend. Wir wissen heute, dass man mit Baumharz einfache Salben machen kann, die in hohem Maße Bakterien, Pilze und Viren von unserem Körper abhalten – dazu gibt es Studien der Med Uni Graz. Im Buch findet man mitunter dazu eine Rezeptur. Pilze sind das Internet des Waldes? Thoma: Jedes Leben funktioniert generell nur, wenn Kommunikation funktioniert. Wer kooperieren will, muss auch kommunizieren. Die Nachrichten im Wald werden nicht wie beim Internet mit elektronischen Impulsen übertragen, sondern biochemisch. Es gibt in jedem Wald ein Pilzmyzel- Fadensystem mit unfassbarer Länge von Milliarden Kilometern – eigentlich unvorstellbar. Dieses nutzen die Bäume, um Nachrichten zu senden – ähnlich unserem Nervensystem. Hat der Wald eine Krise – beispielsweise Trockenheit im Sommer – machen alle Bäume in dieser Region ein ständiges gegenseitiges Monitoring, wie bei jedem die Wasservorräte aussehen. Dem angepasst, wird jeden Tag neu bestimmt, wie sehr der Wettbewerb eingeschränkt wird, dass keiner der Bäume zu viel Wasser verbraucht – mit dem Ziel, diese Krise gemeinsam zu überstehen. Unfassbar! Die Logik der Wirtschaft wäre, denjenigen, der in Bedrängnis ist, zu eliminieren, um selbst mehr zu bekommen. Der Wald meistert Probleme gemeinsam, macht den Planeten lebenswert. Was man im Wald lernen und erleben kann, ist die höchste Bereicherung für jedes Leben. Wie ist es um den Klimawandel wirklich bestellt? Thoma: Im Buch gibt es einen Epilog mit Zahlen und Fakten dazu. Es gibt kein Thema, wie den Klimawandel, das je nach Interessenslage so kontrovers diskutiert wird. Darum tun wir uns auch so schwer, damit umzugehen. Keiner weiß, woran wir sind, welche Maßnahmen wichtig und richtig sind. Im Buch habe ich faktenbasierte Anregungen dazugegeben. Was erzählen die Bäume übers Sterben? Thoma: Jeder fragt sich, woher komme ich, was tue ich hier, wohin gehe ich? Forschungen der Uni Florenz und der ETH Zürich besagen, dass nach dem Fällen eines Baumes die biologischen Vorgänge im Stamm monatelang weiterleben. Es gibt keine abrupte Schnittstelle zwischen Leben und Tod – eines Baumes. Schnell kommt man zur Frage, welche Rolle Materie spielt und was sich hinter der Materie befindet. Ein Baum besteht zu 99,5 % aus Luft und Wasser, 0,5 % sind Spurenelemente aus dem Boden. Er kommt, manifestiert sich, übt seine Lebensaufgabe der Fortpflanzung aus, stabilisiert das Klima, bildet Humus und geht wieder dorthin, wo er hergekommen ist. Das Leben ist ein Fluss – ein ewiges Kommen und Gehen. Der Wald ist wie ein Ozean. Würde man den Wald über Jahrtausende filmen und dann im Zeitraffer betrachten, könnte man eine Wellenbewegung der Baumkronen erkennen – auf und nieder, sie kommen und gehen. Wir Menschen müssen die Dimension im Fluss des Lebens begreifen und unser Handeln dem einfügen, entsprechend ausrichten. Dann haben wir kein Umweltproblem. Und wir erhalten Antworten auf die große Frage über den Sinn des Lebens. Danke für das Gespräch! Erwin Thoma Strategien der Natur Wie die Weisheit der Bäume unser Leben stärkt 300 Seiten, zahlr. Farb-Abb., Hardcover, 978-3-7109-0087-7, € 24,– | Benevento ET: 25. Juli www.beneventobooks.com sortimenterbrief 7-8/19 39


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