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sortimenterbrief Juli/August 2020

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli 2020.

dem klimawandel

dem klimawandel entgegenwirken © Sebastian Knoth Ossi Hejlek im Gespräch mit Sven Plöger Advertorial Am Anfang des Buches vergleichen Sie die Corona-Zeit mit dem Klimawandel. Was ist vergleichbar – und doch anders? Plöger: Genau in dem Moment, als ich das Buch fertiggestellt hatte, kam der Shutdown. Ich machte das Buch wieder auf und hängte vier Wochen intensiver Arbeit dran. Dabei entstand folgender Gedanke: Vergleicht man Corona mit einem bevorstehenden Asteroiden-Einschlag, so fand die Corona-Krise in Zeitlupe statt – der Klimawandel hingegen ereignet sich in Super-Zeitlupe. Bei Corona hatte man Zeit, darüber nachzudenken, wie man mit der zu steuernden Krise umgeht. Interessant dabei war, dass wir auf die Wissenschaft hörten. Und die Politik schaffte ein „Flatten the Curve“. Beim Klimawandel haben wir sogar so viel Zeit, dass wir mit selbiger gar nicht umgehen können. Die Auswirkungen in 50 bis 100 Jahren sind für uns zu weit entfernt, um die Bedrohungen dramatisch genug wahrnehmen zu können. Irgendwann passiert irgendjemandem irgendwo irgendwas ... Das ist ein so schleichender »Je intelligenter wir mit der Zeit in puncto Klimawandel umgehen, desto besser wird das Ergebnis« Prozess, der zur Folge hat, dass wir uns, anstatt auf die Wissenschaft zu hören, Narrative einfallen lassen, mit denen wir begründen, warum die Wissenschaft vielleicht doch nicht recht hat. Eigentlich könnten Corona und unser diesbezügliches Handeln eine Zäsur in unserem Verhalten bewirken und ein Beispiel dafür sein, wie wir durch Entschleunigung positiv auf den Klimawandel einwirken können. Bräuchten wir klare Regeln, um sie zu befolgen – um aktiv zu werden? Plöger: Ich denke: ja! 2018 wurde vielen Menschen durch Dürre, Hitze und Trockenheit klar, dass irgendetwas mit dem Klima falsch läuft. Die Menge an Information dazu verursacht beim Laien eher Irritation. Das ist ein Mitgrund, warum ich das Buch schrieb. Ich will nicht missionieren, sondern übersetzen und das Thema fühlbar machen, damit die Menschen reagieren. Menschen können leider mit der Freiwilligkeit in ihren Entscheidungen nur schwer umgehen. Schon Goethe formulierte einst, dass der Mensch edel, hilfreich und gut sei – er formulierte es im Konjunktiv ... Die Freiheit im Denken und Handeln ist unendlich wichtig. Kann ich selbst aber die Auswirkungen meines Handelns nicht unmittelbar erkennen, braucht es eine Führung von außen. Man sieht das CO2 nicht, man nimmt die Effekte von Klimaschutz-Maßnahmen nicht wahr ... so diffuse Wahrnehmungen machen es dem Menschen schwer, richtig zu handeln. Idealisten sind toll – doch sie alleine können die Welt nicht retten. 36 sortimenterbrief 7–8/20

dem klimawandel entgegenwirken Also brauchen wir mehr Regelwerke? Plöger: Denken Sie an den Katalysator in den 80er Jahren. Alle sträubten sich dagegen – mit zahlreichen Argumenten. Erst die Gesetze und Verpflichtungen führten zu Ergebnissen. Ein beliebtes Narrativ vieler ist, dass das Klima schon immer Schwankungen aufwies. Daraus resultiert auch die Frage, was der Mensch und was die Natur verursacht ... Plöger: Das Klima schwankte immer schon – das stimmt. Natürlich gab es auch früher Dürren, Hitzeperioden oder starke Regenfälle. Es ist aber die Häufung des Extremwetters, die immer massiver wird. Die normalen Schwankungen sind jetzt nach oben hin durchbrochen. Regionale Veränderungsprozesse gab es immer schon, wie beispielsweise die Entwicklung der Sahara von einer Savanne zu einer Wüste. Die schnellen globalen Veränderungen sind neu. Viele Forscher postulieren, dass wir am Ende des Jahrhunderts eine um vier Grad wärmere Welt haben werden, wenn wir keine Klimaschutz-Maßnahmen durchführen. Vier Grad wärmer ist nicht greifbar – was sind schon vier Grad? Dabei ist eine vier Grad wärmere Welt eine ganz andere, als wir sie jetzt haben. Man muss sich nur vor Augen führen, dass es global am Ende der letzten Eiszeit vier Grad kälter war. Die österreichischen Alpen waren ein einziger Eis-Gugelhupf – unbewohnbar. Berlin läge 500 Meter, Skandinavien sogar zwei bis drei Kilometer unter Eis ... Eine vier Grad kältere Welt hat mit heute nichts zu tun. Somit hat auch eine um vier Grad wärmere Welt nichts mit heute zu tun. Der große Unterschied ist, dass die Natur 11.000 Jahre benötigte, um von der Eiszeit zum heutigen Zustand zu gelangen – wir beschleunigen den Prozess ums Hundertzehnfache und bewirken die gleiche Veränderung in nur 100 Jahren. Diesem Tempo können Menschen, Flora und Fauna in keiner Weise folgen. Was sind die Hauptgründe für die Veränderung – ist es das CO2? Plöger: Definitiv ist es das Kohlendioxid! Wir emittieren viel zu viel davon, was den Treibhauseffekt zur Folge hat. Viel CO2 in der Atmosphäre bedingt Veränderungen der kontinuierlichen Luftströme. Am Äquator ist es heiß, an den Polen ist es kalt. Die Natur will immer ausgleichen. Das machen die Jetstreams in einer Höhe von etwa zehn Kilometern. Die bestimmen, wo Hochs und Tiefs sind. Verschwindet also das Eis durch den Klimawandel, dann sind die Unterschiede zwischen Polargebiet und Äquator geringer, was diese wiederum schwächt. Dadurch verweilen Hochs und Tiefs länger an ihren Positionen, was zu extremer Hitze oder extremem Regen führt. Diese Probleme wurden und werden zu 75 bis 100 Prozent von uns Menschen verursacht. Über Physik braucht man nicht zu diskutieren, sie findet einfach statt. Wir müssen mit Verstand agieren und Maßnahmen setzen. Je intelligenter wir mit der Zeit umgehen, desto besser wird das Ergebnis sein. Wie bei Corona. Was sind die wichtigsten To-dos? Plöger: Am besten wäre es, einen großen Staubsauger zu entwickeln, der das CO2 aus der Atmosphäre saugt. Bis dahin muss die Aufgabe darin bestehen, so wenig wie nur möglich zu emittieren. Das wissen wir längst, die Frage ist, wie wir das schaffen. Wir müssen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts jährlich eine Einsparung in der Größenordnung des Corona-Shutdowns bewirken. Da wir nicht jedes Jahr einen Shutdown machen können, braucht es Ideen. Ein Weg ist die internationale Zusammenarbeit, sind die jährlichen Klimakonferenzen. Die Ergebnisse waren jedoch bislang relativ trostlos. Eine Mitgrund dafür ist, dass es für ein Abschluss-Kommuniqué die Einstimmigkeit aller 194 Nationen braucht. Das schaffen wir schon mit 27 Ländern in der EU nicht. Diese Vorgabe gehört klar geändert! Idealerweise gibt es einen politischen Diskurs, der neue Regeln hervorbringt. Die brauchen wir. Der viel gerühmte Wohlstand, der nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde und an dem wir auch dermaßen festhalten, basiert auf der Ausbeutung von Natur und Menschen. Das ist nicht gesund, denn das Verhalten, das uns den Wohlstand gebracht hat, wird selbigen im Laufe von hundert Jahren wieder einkassieren. Wir haben ein riesiges Problem – wenn Corona ein fünf Meter hoher Tsunami wäre, wäre der Klimawandel-Tsunami 500 Meter hoch! Wir müssen endlich handeln. Sie schreiben auch, dass wir für den Lebensstil, den wir führen, zu viele Menschen auf der Welt sind ... Plöger: Und es werden immer mehr. Um dadurch die Maßnahmen nicht zu konterkarieren, ist eine gute Entwicklungspolitik ein zentraler Pfeiler guter Klimapolitik. Danke für das Gespräch! Sven Plöger Zieht euch warm an, es wird heiss! den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die welt von morgen lernen 320 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-86489-286-8 € 20,60 | Westend sortimenterbrief 7–8/20 37

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