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sortimenterbrief juli/august 2022

Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/August 2022.

© Eva trifft und TV zu

© Eva trifft und TV zu arrangieren. Österreich ist aufgrund seiner vielen guten Formate in dieser Hinsicht ein glückliches Land. Wir organisieren nach Wunsch zudem Lesungen, Pressekonferenzen und Ähnliches. All das geschieht vor dem Hintergrund einer umfassenden Kommunikation: Wir kommunizieren sozusagen gnadenlos, auch mit den Verlagen und den Autor:innen, damit sie wissen, was wir für sie tun. Inwiefern spielen für Sie Social Media und digitale Plattformen eine Rolle? Teresa Petrovitz im Gespräch mit Dr. Barbara Brunner »Wir im Presse-Bereich sind gnadenlose Dienstleister:innen« Frau Dr. Brunner, vor mittlerweile mehr als dreißig Jahren haben Sie eine Agentur gegründet, die sich auf Pressearbeit für Verlage spezialisiert hat. Worin besteht Pressearbeit heute? Brunner: Unsere Agentur arbeitet inhaltlich sowohl mit Krimis als auch mit Sachbüchern und literarischen Werken, ohne thematische Einschränkung. Das macht unseren Job so wahninnig spannend und herausfordernd. Ich sage immer: Jeder Mensch, der ein Buch schreibt, ist auf dem Gebiet, über das er schreibt, gescheiter als ich. Daraus speist sich meine Hochachtung gegenüber all den großartigen Autor:innen, die ich betreue. Aus operativer Perspektive sind wir ebenso vielfältig tätig: Wir lesen die Bücher, wir informieren Rezensent:innen über Verlagsprogramme und Einzeltitel und bitten darum oder erinnern auch gerne daran, bestimmte Titel zu besprechen. Wir führen mit den Autor:innen Gespräche über ihre Wünsche, Vorstellungen und Kontakte. Die besten Mitarbeiter:innen einer Presseabteilung sind die Autor:innen selbst, weil diese nur auf ihr Buch fokussiert sind, wir in unserer Agentur haben monatlich unzählige Bücher in Betreuung. Außerdem versuchen wir, für die Autor:innen Interviews in Print Brunner: Wesentlich für uns sind Blogger:innen, die unsere Bücher rezensieren. Besprechungen in Print sind wichtig, Zeitungen sind aber auch das Fischpapier von morgen. Was im Netz steht, bleibt dort stehen. Mit Blick auf die Sozialen Medien habe ich mich intensiv mit Roxana Höchsmann von Kremayr & Scheriau ausgetauscht, die auf diesem Gebiet über exzellente fachliche Expertise verfügt und mir immer wieder spannende Einblicke gibt, zumal wir in unserer Agentur eher die klassischen Tätigkeitsfelder der Pressearbeit bedienen. Wir posten nichts, ich finde auch so manche Auftritte auf Facebook wenig nachahmenswert. Von Frau Höchsmann weiß ich, dass Instagram zurzeit die Plattform der Wahl ist, Facebook wird in erster Linie für Einladungen zu Veranstaltungen oder Infos über Sendetermine verwendet. Interessant ist, dass sich viele Blogger:innen, die übrigens aus dem gesamten deutschsprachigen Raum stammen, direkt bei den Verlagen melden und nach Büchern in analoger Form verlangen, um dann auch Fotos von sich gemeinsam mit den Exemplaren zu machen. YouTube ist insofern relevant, als Autor:innen immer öfter selbst Buchteaser erstellen, die sehr oft kreativ und lustig gemacht sind. Diese Videos übernehmen wir als Agentur dann gerne in unsere Aussendungen. Inwieweit ist TikTok mittlerweile relevant? 18 sortimenterbrief 7–8/22

ein streifzug durch die pressearbeit Brunner: Ich habe soeben PR für das erste Buch von Valeria Shashenok gemacht, die junge ukrainische Fotografin, die mit ihren schrägen TikTok-Videos aus dem Kriegsgebiet zum Internet- Phänomen mit 30 Millionen Zugriffen geworden ist. Von der New York Times bis hin zum Guardian wurde über sie berichtet. Hannes Steiner von story.one hatte die Idee, sie zu kontaktieren und ein Buch mit ihr zu machen. Durch diese Zusammenarbeit bin ich auch auf Tik- Tok präsent, wobei sich meine Begeisterung über so manche Beiträge in Grenzen hält. Aber bemerkenswert ist, und auch das habe ich von Frau Höchsmann erfahren, dass es in den USA in großen Buchhandlungen bereits sogenannte BookToks gibt, Bereiche, in denen die Titel aufliegen, die am öftesten auf TikTok vorgekommen oder besprochen worden sind. Diese neuen Formen der Kommunikation sollte man sicherlich nicht gering schätzen. Ich sage auch immer: Um das Buch am Leben zu erhalten, sollte uns jedes Mittel recht sein. Wenn Sie auf die Anfänge Ihrer Agentur zurückblicken, welche großen Veränderungen haben sich im PR-Bereich ansonsten ergeben? Brunner: Die Zahl der veröffentlichten Titel ist in die Breite gegangen, genauso wie die der Medienvertreter:innen und Kontakte. Heute haben wir in unserer Datenbank und in unserem Verteiler 1960 Journalist:innen, und hier sind die themenspezifischen Spezialverteiler noch nicht berücksichtigt. Das Aufkommen von EDV war in dieser Entwicklung zweifellos der treibende Faktor. Ganz zu Beginn hatten wir in unserem Büro noch keine Computer, unsere Arbeit sah dementsprechend deutlich anders aus. Was ist im Gegensatz dazu in der Pressearbeit konstant geblieben? Brunner: Der Kontakt zu Journalist:innen ist heute ebenso durch nichts zu ersetzen, am besten bei einem Kaffee, bei dem man sich kennenlernt. Für mich geht es in der Pressearbeit ferner um drei Dinge: Man muss die Journalist:innen neugierig machen. Man muss mithilfe von Empathie und Informiertheit herausfinden, welchen Nutzen sich die Journalist:innen erwarten, schließlich kostet sie das Lesen eines Buches wertvolle Zeit und Ressourcen. Und nicht zuletzt geht es darum, es den Partner:innen aus den Medien so einfach wie möglich zu machen. Sie haben heutzutage kaum Zeit zur Verfügung, selbst was die Recherche und Besprechungstermine betrifft. Daher machen wir heute für jeden Titel eine Info-Cloud inklusive Cover des Buches, Pressetext etc. Unsere Titel-Mailings sind so pointiert wie möglich geschrieben. Was ich meinen Kolleg:innen immer wieder ins Tagebuch schreibe, ist: Eitelkeit ist in unserem Beruf fehl am Platz. Wir sind gnadenlose Dienstleister:innen, nicht mehr und nicht weniger. Das allerdings kann sehr viel Spaß machen. Inwiefern hat sich der Auftritt der Autor:innen in der Öffentlichkeit verändert? Das frühere Ideal des zurückgezogenen Intellektuellen oder Schreibenden ist heute wohl kaum mehr aufrechtzuerhalten. Brunner: Erfolgreiche Autor:innen promoten sich immer auch selbst. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Krimi-Autorin Martina Parker, die beispielsweise eine Facebook-Gruppe gegründet hat und ihren Follower:innen während des Schreibprozesses die Möglichkeit gibt, Details in ihren Büchern mitzubestimmen. Das war ein irrer Erfolg. Sie postet auch ununterbrochen und hat mittlerweile eine riesige Community. Autor:innen, die ein Buch abgeben und hoffen, dass es sich damit getan hat − dies war früher möglich, heute aber nicht mehr. Ist die derzeitige Unsicherheit in der Buchbranche hinsichtlich gestiegener Preise und fehlender Ressourcen im Bereich Presse zu spüren? Brunner: Ich bin seit mehr als 30 Jahren im Verlagsbereich tätig und denke, der ökonomische Druck ist branchenimmanent. Er betrifft alle Teilnehmer:innen. Und seit Langem bin ich eine einsame Ruferin in der Wüste und plädiere dafür, weniger Bücher, diese aber teurer zu machen. Ich finde, die Bücher sind zu billig, dadurch sind die Margen zu klein, wodurch das Verlagsgeschäft ein Groschengeschäft ist. Auch Autor:innen können von ihren Büchern nicht leben, wenn sie nicht gerade Sebastian Fitzek heißen. Die meisten müssen einer weiteren Tätigkeit nachgehen, um über die Runden zu kommen. Dieser ökonomische Druck tut niemandem gut. Ich bin mir aber zugleich bewusst, dass es schwierig ist, einer Branche zu sagen, sie müsse sich gesundschrumpfen. Theoretisch ist dies leicht gesagt, die praktische Umsetzung ist ein ganz anderes Thema. Was wünschen Sie sich mit Blick auf das Buch für die Zukunft und welchen Herausforderungen sollte sich die Branche stellen? Brunner: Meiner Ansicht nach besteht die größte Herausforderung in der Rückbesinnung auf die Tatsache, dass das Lesen unheimlich viele Glücksgefühle auslösen kann und dass auch das haptische Lesen uns Menschen unglaublich viel geben kann. Ich finde, wir sollten erkennen, dass auch Sachbücher es wert sind, analog gelesen zu werden, und dass das Digitale das Buch mit all seinen Vorteilen nicht ersetzen kann. Selbstverständlich wird sich die Spreu vom Weizen trennen, vieles wird man wirklich nur noch in digitaler Form benötigen, aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die den Tod des Buches prognostizieren. Bücher wird es immer geben, vielleicht in anderen Formen, vielleicht in geringerer Anzahl. Wenn ich mich in der U-Bahn umblicke, erspähe ich immer wieder Menschen mit Buch anstatt Smartphone in der Hand − ich blicke positiv und zuversichtlich in die Zukunft des Buches. Herzlichen Dank für das Gespräch! sortimenterbrief 7–8/22 19


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