sichtbarkeit online und offline © Sissi Furgler Fotografie Ossi Hejlek im Gespräch mit Verleger Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker Leopold Stocker Verlag »Wir setzen im Stocker Verlag neben den breit verkaufbaren Ratgebern auch sehr stark auf Nischenthemen« Wo sehen Sie für den Leopold Stocker Verlag wichtige verlegerische Aufgaben in der Zukunft? Dvorak-Stocker: Die liegen eindeutig mitunter im Publizieren von Nischenthemen. Nicht erst in der Zukunft. Für Verlage unserer Größenordnung ist es schwierig, eine entsprechende Sichtbarkeit im Buchhandel zu generieren. Und Sichtbarkeit ist heute wichtiger denn je. Dank der österreichischen Buchhändler:innen ist diese hierzulande gut, was unsere Publikationen betrifft. In Deutschland hingegen ist sie weniger erfreulich. Alle Versuche, dies zu ändern, haben extreme Summen verschlungen – waren jedoch nicht von nachhaltigem Erfolg. Wir setzen daher neben unseren sehr breit verkäuflichen Ratgebern auch verstärkt auf Nischenthemen. Geben Sie uns doch bitte ein Beispiel dafür. Dvorak-Stocker: Etwa mit dem Titel Leder, Felle und Pelze selbst gerben. Dieses spezielle Gebiet ist für verhältnismäßig wenige Menschen von Relevanz. Wir dachten, dass dieses Thema gut in unser DIY-Programm passt. Wir fanden ein Werk, das bereits im Eigenverlag verlegt war, ich kontaktierte den Autor und wir übernahmen den Titel, überarbeiteten diesen – kurze Zeit später sind wir bereits in der zweiten Auflage ... Daher ist mit Markus Klek bereits das nächste Buch in Arbeit. Natürlich liegen die jährlichen Verkaufszahlen vielleicht nur bei 800 bis 1.000 Exemplaren. Wenn ich das jedoch 30 Jahre halte, kommt auch eine schöne Anzahl zusammen! Für den Buchhandel ist das hingegen nicht so interessant ...? Dvorak-Stocker: Jein. Denn der kann nicht alle Interessensgebiete dieser Welt im Regal abbilden – online jedoch sehr wohl! Ein anderes Beispiel ist unser Buch Lehm-Backöfen. Selbst gebaut!. Ich wollte vor etlichen Jahren ein Buch zu diesem Thema machen, fand dann eines in Amerika, das wir übernahmen, adaptierten und herausbrachten. Mittlerweile ist die 10.000er-Marke überschritten, das Buch befindet sich in der dritten Auflage. Ich hätte nie gedacht, dass das Thema von so großer Bedeutung ist. Einerseits könnte man sich fragen: Wer interessiert sich schon für Lehmbacköfen? Vereinzelte Gemeinden vielleicht. Andererseits: Die Verkaufszahl spricht für sich! Wahrscheinlich stoßen die Menschen über Internet-Recherchen zum Thema auch auf das Buch ... Dvorak-Stocker: Ich denke, dass es so ist. Wir analysieren sehr stark, beobachten, wonach im Internet recherchiert wird. So kommen wir auch auf so manche Buchideen. Wonach wird denn im Internet gesucht? Dvorak-Stocker: Schauen Sie selbst nach (lacht)! 52 sortimenterbrief 7–8/22
sichtbarkeit online und offline Der Leopold Stocker Verlag hat auch eine enorm starke Backlist. Titel und Themen, die über Jahrzehnte laufen – wie z. B. Räuchern ... Dvorak-Stocker: Man muss natürlich Neuauflagen immer wieder neu aufbereiten und fotografieren. Gewisse Dinge verändern sich auch, neue Geräte kommen auf den Markt. Ja, wir haben Titel, die schon seit über 30 Jahren laufen, beispielsweise übers Käsen. Den Titel hat schon Hans-Joachim Kulenkampff in seiner einstigen TV-Show „Einer wird gewinnen“ vorgestellt ... und das Buch gibt es immer noch! Selbstverständlich schon mehrfach relauncht. Wie stark ist der Trend zum Selbermachen? Dvorak-Stocker: Der war zumindest während der Corona-Zeit sehr stark. Wir haben von diesem Trend deutlich profitiert – hatten auch in Deutschland extreme Umsatzzuwächse, in Österreich gute. Die Onlinebestellungen trugen das Ihre dazu bei, denn durch Online-Recherchen stießen die Leute auch auf Titel, die in den Geschäften nicht präsent waren. Sichtbarkeit offline wie online ist das Um und Auf – das ist neben den Nischenthemen der zweite wichtige Punkt für uns. Sie stellen auch über Ihre Plattformen und zum Beispiel auch YouTube Zusatzcontent zur Verfügung? Dvorak-Stocker: Das ist sicher ein zukünftiger Weg. Wir probieren vieles aus, haben aber noch nicht die Lösung schlechthin gefunden. Gerade im Ratgeberbereich kann man mit einem Drei-Minuten-Film viel darstellen, für das man im Buch viele Seiten und lange Erklärungen braucht. Ob dieser Zusatzcontent immer kostenlos sein muss bzw. bleiben wird, weiß ich nicht. Hier werden sich generell – nicht nur in unserer Branche – Geschäftsmodelle entwickeln. Die Initiativen der Wirtschaft – auch einzelner Wirtschaftstreibender –, gerade während der Lockdownmonate regional zu kaufen, hat gut gefruchtet? Dvorak-Stocker: Aus unserer Wahrnehmung heraus 2020 besser als 2021. Wenngleich der Buy-Local-Gedanke ein permanent zentraler sein müsste. Denn wenn ich keine verwaisten Geister-Innenstädte haben will, muss ich als Konsument:in stationär einkaufen. Andererseits betreiben Sie mit der Bücherquelle eine eigene Versandbuchhandlung. Dvorak-Stocker: Wir haben mit unserer Zeitschrift Der Landwirt, die sich einer Auflage von rund 50.000 Exemplaren erfreut, ein Kommunikationsmittel, mit dem wir auch Landwirt:innen und Bäuerinnen und Bauern ansprechen, die aus ihren Höfen kaum herauskommen und von denen die nächste Buchhandlung weit entfernt ist. Diese nutzen die Bestellmöglichkeit für Fachbücher für sich selbst bis zu Literatur für deren Urlaubsund Bauernhofkund:innen, natürlich auch Ratgeber. Die Klientel kommt aus ganz Österreich sowie aus dem Süden Deutschlands. Wie ist Stocker personell durch Corona gekommen? Dvorak-Stocker: Wir hatten ausschließlich die Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit, die für die Messen zuständig sind. Sonst waren wir alle zumeist im Verlag – manche im Homeoffice. Ich selbst war keinen einzigen Tag im Homeoffice. Kommen wir zurück zum Verlagsprogramm – der Bereich „Überleben“ fällt mir jetzt zum ersten Mal in der Vorschau auf, und man findet darin Titel, die bereits in der dritten, vierten oder fünften Auflage herauskommen ... Dvorak-Stocker: Die drei Titel von Lars Konarek sind viele Jahre alt – waren im ersten Quartal 2022 aber unsere internen Bestseller. Im September erscheint ein neuer Titel in diesem Bereich: Krisensicher von Eva Tragner. Sie hat bereits einige Bücher zu den Themen Kräuterapotheke bei uns veröffentlicht. Da gibt es eine große Nachfrage, daher verstärken wir diesen Bereich. Das Zeitgeschehen, der Ukraine-Krieg, aber auch die Form der Berichterstattungen verunsichern die Menschen – viele Fragen machen sich breit, wir versuchen, entsprechende Antworten zu finden und zu geben. Sie haben auch immer wieder Lizenzen im Programm – kommt dabei das meiste aus Frankreich? Dvorak-Stocker: Wir haben eine gute Kooperation mit einem französischen Verlag, der Gartenbücher publiziert. Da Frankreich unterschiedliche Klimagebiete abdeckt, passen die Bücher auch sehr gut für österreichische Belange. Ab und zu lassen wir Inhalte weg, wenn sie gar nicht in unsere Breitengrade passen – beispielsweise über Pflanzen, die nur in der Provence wachsen. Auch funktionieren die französischen Kochbücher bei uns sehr gut, da der Geschmack ähnlich dem heimischen ist, eher als englische oder amerikanische Kulinaria- Titel. Anders sieht es im Handarbeitsbereich aus, bei dem viele Bücher aus dem Englischen oder Amerikanischen stammen. Vice versa verkaufen wir viele Lizenzen im Handarbeitsbereich nach Amerika. Ich versuche, die Lizenzen in unserem Programm auf sechs bis acht pro Jahr zu beschränken. Die Eigenproduktionen bewegen sich bei Stocker in etwa bei 40 Titeln per anno. Wie geht es dem Hobbybereich und den DIY-Titeln? Dvorak-Stocker: Es wird seit einigen Jahren weniger gehäkelt und gestrickt. Die Handarbeitsgeschäfte stöhnen. Dieser Bereich unterliegt aber spannenderweise einer Wellenbewegung, die mir seit vielen Jahren bekannt ist. Wir wollen in diesem Segment künftig weniger Lizenzen einkaufen, vielmehr setzen wir auf Eigenproduktionen mit heimischen sortimenterbrief 7–8/22 53
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Wohlfühlen ... Das neue Buch zur D
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