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sortimenterbrief juli/august 2023

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/August 2023.

uchrezensionen

uchrezensionen www.barbara-brunner.at Der aktuelle Lesetipp von Dr. Barbara Brunner Liebe Leute, müsste ich einen Workshop für kreatives Schreiben halten (was Gott abhüten möge), dann würde ich einen für mich sehr geglückten Roman als Beispiel nehmen. Die Ingredienzien: Ein sympathischer Held, der keiner ist: Prof. Dr. Quintus Erlach, seines Zeichens Professor für Philosophie an der Universität Salzburg, dreiundfünfzig Jahre alt. Er hat über weite Strecken ein Alkoholproblem und leider nach einem Istrien- Urlaub einige Stacheln vom Seeigel im Fuß. Seine Frau Lou hat sich kurzfristig von ihm getrennt und arbeitet als Wissenschaftlerin im südamerikanischen Urwald. Seine Tochter Michaela spricht zwar nicht mehr mit ihrem Vater, hat ihm aber den Hund hinterlassen, weil sie ein Auslandssemester in Kanada macht. Dass der Mischlingshund mit ausgeprägten Charaktereigenschaften „Machtnix“ heißt, zeugt wiederum von der literarischen Bildung des Autors – Machtnix oder der Lauf, den die Welt nahm ist ein grandioser Roman von Barbara Frischmuth, das nur als Anmerkung. Ein Ort, der kein Sehnsuchtsort ist: Quintus Erlach lebt, nachdem ihn seine Frau aus der gemeinsamen Wohnung geschmissen hat, im sehr renovierungsbedürftigen Haus seiner verstorbenen Eltern, in einem kleinen abgelegenen Ort irgendwo in der Nähe von Salzburg. Dort kennt man ihn noch als den Sohn des Gemeindearztes, einige seiner Schulfreunde sind als Dachdecker oder Polizist im Ort geblieben. Stein am Gebirge heißt das Dorf, umgeben von Wäldern, Bächen und Bergen, eigentlich schön, aber doch mit einem Schuss Horror in der Idylle. Ein unsympathischer „Ewiggestriger“: In einer solchen Idylle gibt es immer einen, dem alles gehört: Herwig Zillner, den Großgrundbesitzer mit nicht astreiner Vergangenheit, die auch für beträchtliche Teile seines Vermögens „verantwortlich“ ist. Munkelt man zumindest im Dorf. Der alte Mann sitzt im Rollstuhl und ist daher auf Pflegerinnen, natürlich aus der Slowakei, angewiesen. Evelina heißt das Engelswesen, das sehr rasch Kontakt mit Quintus aufnimmt. Etwas Mysteriöses, das jede Handlung würzt: Evelina hat „das zweite Gesicht“ und kann bisweilen die Gedanken der Menschen sehen. Und sie ist auf der Suche nach ihrer Vorgängerin Angelika, die offensichtlich verschwunden ist. Angelika ist die wunderschöne Schwester, die – so hört man – allen Männern im Dorf den Kopf verdreht hat, von der es aber kein Lebenszeichen mehr gibt. Lou, Ethnomedizinerin, telefoniert ab und an aus dem Dschungel mit Quintus und ist natürlich doppelt misstrauisch, als sie hört, dass sich ihr Mann von Evelina für die Suche nach der totgeglaubten Schwester einspannen lässt. Und ein wenig Ehebruch ist auch dabei: Quintus hat mit einer ehemaligen Studentin und nunmehrigen Kollegin ein kleines Verhältnis angefangen, nichts Weltbewegendes, aber genug, dass Lou die Konsequenzen gezogen hat. Katia Kopf (sic!) ist zwar weder schön noch begehrenswert im landläufigen Sinn, hat aber wohl ob ihres Intellekts dem guten Quintus den Kopf verdreht. Und sie wird ihn in Stein am Gebirge besuchen, just zu dem Zeitpunkt, an dem auch Lou aus Südamerika kommt. Aber wenn Sie jetzt einen Showdown von zwei unterschiedlichen Damen erwarten, liegen Sie ganz falsch. Spannung, liebe Leute, ist weiters das A und O eines guten Romans: Evelina und Quintus finden tatsächlich die Leiche der Schwester, die aber bald darauf wieder verschwunden ist. Dafür gibt es noch den undurchsichtigen Gutsverwalter, von dem augenscheinlich eine Bedrohung ausgeht. Und es gibt den stinkreichen Sohn von Herwig Zillner, der in München sein Vermögen mit Immobilien vermehrt – und der Quintus das Elternhaus abkaufen möchte. Eine wilde Geschichte werden Sie jetzt sagen? Wilde Jagd heißt der Roman von René Freund, der tatsächlich Liebesgeschichte und Krimi vereint, der die Leserschaft mit durchtriebenen, kauzigen, gefährlichen, liebenswerten und mysteriösen Personen bekannt macht, der ihre Geschichten so geschickt in die Handlung einbaut, dass man sich tatsächlich in Stein am Gebirge wähnt. Und mit Quintus das Bierzelt besucht, in dem der Dachdecker Rainy mit seiner Frau („Sunny & Rainy – Rainbow of Love“) selbst getextete Lieder vorträgt, oder den Taxifahrer Bobby mit seiner schießwütigen Frau trifft, sich über philosophische Fragen mit der esoterischen Fußpflegerin unterhält oder sich von dem protzigen Adrian Zillner über dessen Immobiliendeals belehren lässt. Ende gut, alles gut: Ja, am Ende löst sich fast alles in Wohlgefallen auf, aber ganz anders, als man es vermuten würde – auch hier ist es René Freund gelungen, die Leserschaft auf höchst unterhaltsame und vergnügliche Weise an der Nase herumzuführen. Wilde Jagd von René Freund erscheint am 24. Juli bei Zsolnay, ein feiner Roman, nicht nur für einen schönen Sommer. Indem ich Ihnen einen solchen wünsche, beende ich meine fiktive Lektion in creative writing. Herzlich Barbara Brunner © privat René Freund: Wilde Jagd 286 Seiten, Softcover, 978-3-552-07367-8 € 18,50 | Zsolnay, ET: 24. Juli 24 sortimenterbrief 7-8/23

hinter hohen bäumen sind sie die königinnen © Francesca-Mantovani Gallimard Anne Serre, geboren 1960 in Bordeaux, hat seit ihrem Romandebüt 1992 sechzehn Romane und Bände mit Kurzgeschichten veröffentlicht. Für Im Herzen eines goldenen Sommers, ihre erste Veröffentlichung auf Deutsch, erhielt sie 2020 den Prix Goncourt de la Nouvelle. Anne Serre Die Gouvernanten. Roman Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky 104 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-949203-67-1 € 24,70 (A), Berenberg, ET: Aug. 2023 Mit Eleganz, dunkler Sinnlichkeit und durchaus subtiler Komik ... ... erzählt Anne Serre in diesem fantastischen Märchen von der Macht der Blicke und von weiblichem Begehren. 2022 erschien: Advertorial Sie sind zu dritt, und in dieser abgeschiedenen Villa hinter hohen Bäumen sind sie die Königinnen: die Gouvernanten. Auf die Erziehung der ihnen anvertrauten Jungen geben sie wenig, lieber lassen sie sich melancholisch durch die hellen Tage treiben. Manchmal zieht es sie zum goldenen Tor, das ihr Reich begrenzt, wo sich, wild vor Verlangen, die Männer drängeln. Erhört werden sie alle nicht, denn hier stellen die Gouvernanten die Regeln auf. Verliert sich aber ein Fremder in den Garten, gehen sie wie im Rausch auf die Jagd, richten den Ahnungslosen unerbittlich zu, mit Küssen und mit Bissen. Und all das vor den Augen des Nachbarn, der die angebeteten Frauen mit seinem Fernrohr auf Schritt und Tritt verfolgt ... Anne Serre Im Herzen eines goldenen Sommers 2022, Berenberg, aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky, 120 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-949203-38-1, € 24,70 (A) sortimenterbrief 7-8/23 25


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