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sortimenterbrief Juni 2019

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juni 2019

schwerpunktbelletristik

schwerpunktbelletristik Sonderthema-Krimis & Thriller © Wolf Silveri Ossi Hejlek traf Schauspieler und Romanautor Andreas Kiendl Die Tragödie, die hinter der Fassade lauert. Leibnitz. Andreas Kiendl wurde am 31. 12. 1975 in Graz geboren und wuchs in Deutschlandsberg auf. Nachdem er das Studium der Technischen Chemie abgebrochen hatte, studierte er Darstellende Kunst an der KUG Graz und schloss 2001 mit Diplom ab. Parallel war er bereits Ensemblemitglied im „Theater im Bahnhof“ – danach drei Jahre Ensemblemitglied am Landestheater Linz. 2003 bekam er seine erste Hauptrolle im Kinofilm „Antares“, seither ist Kiendl als Schauspieler für Film und Fernsehen tätig. Können Sie uns ein wenig über sich erzählen? Kiendl: Ich bin hauptberuflich Schauspieler. Begonnen hat bei mir alles mit Hauptrollen in Kinofilmen. Das war ein großes Glück. Breit bekannt wurde ich dann durch die Fernsehserie „Soko Kitzbühel“. Dort war ich dreieinhalb Jahre lang für 50 Folgen der Kommissar – war der Nachfolger von Hans Sigl. Das führte dann zu weiteren TV-Verträgen, wie zum Beispiel beim „Tatort“. Seitdem arbeite ich als Schauspieler vor der Kamera in den unterschiedlichsten Genres. Derzeit spiele ich einen Lobbyisten in der TV-Serie „Vorstadtweiber“, ab September werde ich wieder als Blutspritzeranalytiker in „Schnell ermittelt“ auftauchen und eine weitere, größere Aufgabe aus dem Bereich der Kriminalserien wartet heuer auch noch auf mich ... Was erwartet die Leserschaft im Roman Leibnitz? Kiendl: Es ist die Geschichte einer Familie im steirischen Leibnitz – spielt 2006 bis 2016. Das Grundthema des Romans ist die Tragödie, die hinter der Fassade lauert, wo man sie nicht vermutet. Das Hintergrundsujet ist die Kleinstadt – das interessiert mich. Es bietet auch ein gewisses Reihenpotenzial. Viele Geschichten können in Kleinstädten spielen und über die dort lebenden Menschen erzählt werden. Bei meiner Ideensammlung kam schnell 48 sortimenterbrief 6/19

heraus, dass es um Mord gehen muss. Um die Darstellung von moralischer und rechtlicher Grenzüberschreitung. Ich war von klein auf krimifixiert. Las alles aus dem Genre, was mir in die Finger kam. Besonders interessierten mich stets die Implikationen abseits der Kriminalistik. Was bedeutet es für Menschen, die mit Verbrechen konfrontiert werden, was macht es mit ihnen, wie verändert sich ihre Vita …? Ganz besonders in einer Kleinstadt, wo man Täter, Opfer und deren Umfeld kennt. In Leibnitz geht es hauptsächlich über ein Ehepaar, das im Vordergrund der Geschichte steht. Sie wird aus deren beiden Perspektiven erzählt. Es gibt auch noch eine Außenposition in Form der Schwiegermutter. Man lernt im Laufe der sechs Kapitel diesen Clan kennen, der sich in einer nicht gerade positiven Entwicklung befindet. Im Hintergrund gibt es ein Alkoholproblem ... Kiendl: Alkohol ist ein Generalthema, das betrifft den Ehemann – genauso wie Sucht in all ihren Ausprägungen und der damit einhergehenden Flucht, das Davonlaufen vor Problemen – aber auch vor der Realität. Und auch der Bereich der Religion spielt eine gewichtige Rolle. Man begegnet im Roman ebenso Personen, die zwar nicht süchtig sind, jedoch nicht in der Lage sind, handlungsfähig im Hier und Jetzt zu leben. Es sind Menschen, die stets ausweichen und der Meinung sind, ihr Glück anderswo zu finden. Die Figuren meines Romans sind mit Passagieren zu vergleichen – die Dinge unterlaufen ihnen. Deshalb ist auch fast alles reflexiv geschrieben. So gut wie nichts passiert im On. Die Spuren reflektieren über das Geschehene. Das Erinnern ist natürlich subjektiv eingefärbt. Deshalb ist es wichtig, beide Stränge parallel zu haben. Man erfährt zwei Wirklichkeiten und bemerkt sukzessive, wie ausweglos diese Situation ist – weil sie sich nie finden, nie verstehen. Weil jeder ganz anders das Erlebte reflektiert. Eigentlich eine weitverbreitete Beziehungssituation. Alltäglich. Mir war es wichtig, ein möglichst glaubwürdiges Außen zu skizzieren, das spürbar macht, dass es für die Menschen keinen Ausweg mehr gibt. Gewalt und Entgleisungen in der Familie kommen in jedem Kapitel vor. Auf die Leiche muss man relativ lange warten (lacht). Ich entschied mich auch sehr spät, wer ums Leben kommt. Warum fiel die Wahl gerade auf Leibnitz? Kiendl: Leibnitz ist der Nachbarbezirk von Deutschlandsberg, wo ich aufgewachsen bin. Ich kenne also Gegend und Menschen dort mittelbar recht gut. Es ist eine Weinbaugegend und die Alkoholproblematik ist in Weinbauregionen durchaus präsent. Das ist für Außenstehende vielleicht gar nicht so transparent, aber es ist so. Oft werden zugunsten der Reputation eines Ortes auch Themen wie diese totgeschwiegen. Der Wein ist ja das, wovon man lebt, er ist etwas Herrliches – folglich muss er auch gut sein (lacht)! Für die Hauptfigur ist er nicht gut – wenngleich er kein aktiver Täter ist. Auch ihm unterlaufen die Geschehnisse. Warum ist es kein Krimi, sondern ein Roman? Kiendl: Weil nicht die Kriminalistik im Vordergrund steht, sondern die Menschen. Vielleicht liegt die Wahrheit auch irgendwo dazwischen. Ich schrieb etwa zwei Jahre an dem Roman. Logistisch war es oft schwierig, das Schreiben mit meiner Schauspielerei in Einklang zu bringen, mit der Familie und meinen beiden kleinen Kindern – dazu kam, dass sich meine Lebensgefährtin im letzten Jahr schwer verletzte. Der Stress war andererseits auch zuträglich. Wie kamen Sie zum Gmeiner Verlag? Kiendl: Das war wirklich eine verrückte Geschichte. Ich war gerade am Beginn meiner Verlagssuche – war auch auf schwerpunktbelletristik einen langen Weg und schmerzvollen Prozess eingestellt, gab ein Interview in einer ORF Nachmittags-Talkshow, wo ich erwähnte, dass ich einen Roman geschrieben habe und auf Verlagssuche bin. Der Gmeiner Verlag hat einen sehr rührigen Scout in Österreich, der die Sendung sah. Als ich danach wieder nach Hause kam, fand ich im Posteingang schon eine Nachricht vor. Eine kurze Woche später arbeitete ich bereits mit der Lektorin von Gmeiner ... Sehr schmerzvoll war er also nicht, der Weg zu einem Verlag ... Kiendl: Gott sei Dank! Jetzt ist es noch eine Zeit der Vorfreude bis zum Erscheinen im September. Nach den sehr intensiven Lektoratswochen – der aber und abermaligen Auseinandersetzung mit den Geschehnissen im Roman und den Figuren – tut die Pause gut. Nein, eigentlich schreibe ich zur eigenen Heilung schon an der nächsten Geschichte, die in Knittelfeld spielt. Und im Herbst wird es viele Lesungen und Veranstaltungen im Buchhandel geben – darauf freue ich mich schon. Danke für das Gespräch! Andreas Kiendl Leibnitz Roman, 314 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-8392-2494-6 € 22,70 | Gmeiner Verlag, ET: 11. September sortimenterbrief 6/19 49

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