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sortimenterbrief märz 2023

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe März 2023.

© Simone Heher-Raab

© Simone Heher-Raab hatten den Rabenhof für die Buchpräsentation gebucht, die Karten waren nahezu ausverkauft ... Dann kamen reihenweise Corona-bedingte Absagen. Letztendlich blieben zehn Menschen über. Am nächsten Tag sperrte Österreich zu. Das Leben hielt über Wochen den Atem an – leider dadurch auch die Buchverkäufe. Alle, die mit ihren Buchneuerscheinungen genau in diese Zeit hineinfielen, waren wirklich arm dran. Man konnte kaum etwas machen, um die Situation zu verbessern. Dieser Irrwitz traf mich im selben Jahr im Dezember erneut – beim neuerlichen Lockdown – mit einem neuen „Metzger“. Ich war daraufhin extrem verunsichert. Der dritte Band von Frau Huber ermittelt wurde dann wegen neuerlicher Lockdowns zweimal verschoben. Jetzt kommt er endlich raus! Wie kann man diese Tiefschläge als Schriftsteller verkraften? Ossi Hejlek im Gespräch mit Thomas Raab Raab: Ich musste fehlende Einkünfte ersetzen, die Lesungen waren ja alle ausgefallen, habe Kolumnen geschrieben, Treatments, Drehbücher etc. Schreiben quasi ums Überleben – im Frühjahr 2022 war ich dann vor lauter Schreiberei an allen Ecken und Enden überlastet und musste die Bremse ziehen! Kiepenheuer & Witsch war in dieser Zeit ein wahrer Freund – eine Stütze. Allen voran meine Verlegerin Kerstin Gleba und mein Lektor Jan Valk. Diese Zeit hat meine Haltung zu verschiedenen Dingen verändert – hat mich sicher auch als Mensch geprägt. Ich begann, bereits Geschriebenes mit neuen Augen zu sehen, verwarf mehrfach, startete x-fach von Neuem. Advertorial »Das Schönste am Schreiben ist für mich die Freiheit!« Der dritte Band Ihrer bei Kiepenheuer & Witsch erscheinenden „Frau Huber ermittelt“-Krimireihe steht unmittelbar vor Auslieferung. Wie sind Sie mit der Performance der Titel zufrieden? Raab: Die Reihe startete im Herbst 2018 mit dem ersten Band, Walter muss weg, sehr erfolgreich in den Markt. Mit Band zwei, Helga räumt auf, wurde alles anders, denn dieser erschien 2020 unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Wir Welcher Plot kam letztendlich bei Peter kommt später heraus? Raab: Ich wollte eine Geschichte schreiben, vorstellbar in einer Gegend irgendwo zwischen Innviertel und Waldviertel, in der die Thematik einer – natürlich fiktiven – nationalsozialistischen Gesinnung in die Handlung eingewoben wird. Wollte mich mit diesem Thema beschäftigen. Das war spannend und schwierig zugleich, denn letzten Endes lebt die Reihe ja von ihrem Witz – es sollte natürlich wieder eine Komödie werden. Es war ein Drahtseilakt, das wackelnde Ruderboot zwischen Ersthaftigkeit und Humor auf Kurs zu halten. Darum brauchte ich auch lange, um einen idealen Weg zu finden. Das, was jetzt rauskam – vom Grundplot bis zur Auflösung –, stimmt mich aber zufrieden! Und gleichzeitig macht es mich auch glücklich, 04 sortimenterbrief 3/23

peter kommt später. raab ist wieder da nach so langer Zeit wieder einen Roman beendet zu haben. Durch den Corona- Wahnsinn war der Gedanke entstanden, dass ich das womöglich nie wieder schaffen werde – das alles als Schriftsteller nicht überstehe. Umso schöner ist es jetzt! Beim Schreiben fand ich dann wieder zurück, konnte loslassen und mich treiben und fallen lassen, hörte mich oft selbst lachen ... Endlich hatte ich wieder Spaß, konnte Existenzängste außen vor lassen, konzentriert auf den Moment des Schreibens, nicht auf das Ende. Das hatte ich vermisst! Das Schönste am Schreiben ist für mich die Freiheit. Welches Szenario haben Sie nun für die Leserschaft entworfen? Raab: Am Anfang der Geschichte gibt es Bürgermeisterwahlen – der bestehende Bürgermeister gegen den Brucknerwirt, eigentlich rechts gegen noch weiter rechts. Kurz vor den Wahlen wird die Mutter des Brucknerwirts ermordet. Sie erstickt in ihrem Kaiserschmarren. Schnell entsteht der Verdacht, dass es sich um einen Mord handelt. Zuerst verdächtigt man die Gegner des Brucknerwirts, dann fällt der Verdacht sogar auf jemanden aus der Crew des Brucknerwirts. Die Wahl wird von diesem Mord extrem beeinflusst. Schließlich führt es dazu, dass der Brucknerwirt zum neuen Bürgermeister gewählt wird. Und dann taucht in der Geschichte der Bäckermeister Peter auf? Raab: Das ist der Ziehsohn der Tante Herta. Sie vermutet bzw. weiß, dass Peter nur nach außen hin ein wohlwollender Charmeur ist. In Wahrheit aber hat er sich den jungen rechts ausgerichteten Burschen angeschlossen, die den 20. April – Hitlers Geburtstag – feiern, alte Zeiten in die Gegenwart herbeisehnen. Tante Herta verstieß Peter, die beiden verstanden einander nicht mehr. Dann wird aber auch Tante Herta aus dem Leben befördert. Durch deren Tod wird Peter sehr aufgewühlt. Alles spricht dafür, dass der Mörder aus den Reihen seiner Gruppierung kommt. Der alten Hannelore Huber sind die Geschehnisse alle nicht geheuer, und sie beginnt zu ermitteln ... Im Buch geht es auch darum, dass die letzte Generation, die den Krieg und dessen Gräuel noch erlebt hatte, gerade ausstirbt. Bald sind keine Augenzeugen mehr am Leben. Die Geschichte und deren Ursprünge führen dann noch zurück zu einer Verschwörung in die Nachkriegsjahre, in denen einst Morde passierten, um das Dorf zu retten. Bei all dem „braunen“ Hintergrundszenario ist es Ihnen gelungen, der Komödie treu zu bleiben – auch dem Österreichischen? Wie kommt das in Deutschland an? Raab: Ich hatte ein Wiedererweckungserlebnis bei einer Lesung in Deutschland, veranstaltet in einer kleinen Bücherei in der Nähe von Erfurt. Das war meine erste Lesung in Deutschland nach Corona. Es war ein sehr geschichtsträchtiger Saal, ausverkauft mit rund 80 Personen. Ich bin davon überzeugt, dass mich kaum jemand gekannt hat, alle hauptsächlich wegen der Buchhändlerin bzw. der Bibliothekarin kamen. Der Altersschnitt im Auditorium lag vielleicht bei 60–65 Jahren. Ich las aus Walter muss weg. Es kam die Stelle, an der die alte Huber Radio hört – Roy Black. An dieser Stelle spielte ich mittels Diktafon das Lied Schön ist es auf der Welt zu sein ein. Der erste Zwischenapplaus, die ersten Lacher ... Ich hatte Gänsehaut, war wie elektrisiert. Ich spürte die Freude, die man gerade im Auditorium empfand – war selbst glücklich. Genau für solche Momente schreibe ich eigentlich. Ich dachte mir, dass ich genau das Richtige mache. Das war eigentlich der Neubeginn meines Schreibens – dass mir das Schreiben wieder Freude machte. Ich ging heim, schrieb gleich ein Kapitel von Peter kommt später um. Es war, als hätte man mir bei der Lesung wieder den Stecker angesteckt. Plötzlich ging es wieder. Ich hatte zuvor zwei Jahre lang kaum Menschen gesehen, hatte nur geschrieben. Ich brauche die Menschen! Der Moment, den ich mit den Zuhörer:innen bei einer Lesung erlebe, gibt mir die Kraft weiterzumachen, gibt meiner Arbeit Sinn, füllt sie mit Leben. Ich liebe es, auf Lesereise zu sein, war in so vielen Dörfern und Gemeinden ... Da ist auch die Huber entstanden. Ich erzähle beispielsweise gerne bei den Lesungen, dass mein Vater katholischer Priester war. Wenn sich dann nach der Veranstaltung der Pfarrer einer Gemeinde im Wirtshaus zu mir setzt, das Gespräch sucht, kenne ich mich aus ... Es gibt viele Erlebnisse und Erzählungen, die mich zu neuen Huber-Plots inspirieren. Einmal erzählte man mir vom dörflichen Samstag als allgemeinen Waschtag, an dem die Bauernfamilie gemeinschaftlich badet. Zuerst steigt der Bauer in die Badewanne, dann, der Reihe nach, der Rest der Familie. Auch jetzt noch im 21. Jahrhundert! Es erheiterte mich der Gedanke, dass sich am Samstag die einen selbst waschen, parallel dazu die Jungen ihre Autos ... (lacht) Herzlichen Dank für das Gespräch! Thomas Raab: Peter kommt später Frau Huber ermittelt. Der dritte Fall 336 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag 978-3-462-00206-5, € 22,70 Kiepenheuer & Witsch, ET: 9. März sortimenterbrief 3/23 05


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