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sortimenterbrief Mai 2020

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Mai 2020.

uchhandel in

uchhandel in coronazeiten © Thalia sagte selbst, man hätte auch mit den Unternehmen, deren Namen mit A–K beginnen, anfangen können. Als Händler muss ich klar sagen, dass diese Flächengrenzen nicht nachvollziehbar und auch nicht argumentierbar sind. Nur sechs von 38 Filialen aufsperren zu dürfen ... Außerdem bin ich der Meinung, dass man problemlos größere Standorte auf 400 m² verkleinern hätte können. Aber auch das war nicht gestattet. Unverständlich für mich und sachlich nicht nachvollziehbar. Ab 1. Mai ist die Zwischenregelung ohnedies Geschichte. Es wäre auch die Regel einer grundsätzlichen Ausnahme des Buchhandels – durch die Tatsache der Versorgung mit geistiger Nahrung – einen Gedanken wert gewesen. Und was passierte nach der Öffnung der sechs Standorte seit Mitte April? Ossi Hejlek im Gespräch mit Thalia-Geschäftsführer Mag. Thomas Zehetner »Eine Aufgabe nach Corona wird sein, die Kunden noch besser zu kennen, um sie direkt ansprechen zu können« Sechs Thalia-Filialen konnten Mitte April wieder aufsperren – wie lief es? Zehetner: Das war sehr kompliziert, wie vieles andere auch im Moment, da wir noch bis wenige Tage zuvor nicht wussten, wie alles genau ablaufen darf bzw. soll. Welche Bedingungen gibt es, was wird als Einkaufszentrum angesehen, wer darf aufsperren ...? Das war beispielsweise in St. Johann im Pongau ein großes Thema. Die schriftlichen Verordnungen kamen erst drei Tage vor Öffnung, manches erst am Wochenende. Das ist eine Zumutung – insbesondere für die Mitarbeiter. Trotz allem Verständnis für Politik und Behörden, für die auch alles zum ersten Mal passierte, führte das zu einer enormen Komplexität und verlangte extrem hohes Flexibilitätsvermögen seitens des Handels. In einer Pressemeldung erklärten Sie, dass Sie den Buchhandel in puncto Flächenbegrenzung gerne ausgenommen gesehen hätten? Zehetner: Es war mir – und vielen anderen – nicht klar, warum man die 400-m²-Linie eingezogen hat. Das war eine willkürliche Grenze. Die Politik Zehetner: Interessanterweise haben wir dort mittlerweile Umsätze, die vergleichbar mit dem Vorjahr sind. Meine Einschätzung dazu liegt darin, dass die meisten unserer kleinen Flächen verstärkt in einer Geschäftsumgebung von anderen kleinen Geschäften eingebettet sind – somit eine gegenseitige Frequenzbefruchtung stattfindet. Bedeutet: Wenn ich als Kunde schon einkaufen gehe, dann dorthin, wo mehrere Geschäfte offen haben. Das half uns wahrscheinlich. Vielleicht ist das nur eine These, die ich in einigen Wochen adaptieren muss – aber im Moment sieht es für mich so aus. Trotzdem sind es weniger Kunden, aber diejenigen, die kommen, kaufen mehr. Wie lief es für den Onlineshop thalia.at in den Wochen der Sperre? Zehetner: Wir versuchten, wie alle Kollegen, das Beste daraus zu machen, richteten ein Telefonservice ein und unterstützten den Onlineshop durch Newsletter und Online-Kampagnen, teilweise im Nonbookbereich – bei Spielen –, mit Aktionen. An manchen Tagen wurde online das Drei- bis Fünffache 24 sortimenterbrief 5/20

uchhandel in coronazeiten der normalen Onlinebestellungen verzeichnet. Das war schon eine große Herausforderung für die Mitarbeiter. Sie haben es großartig gemeistert. Wir haben durch die Bank die starke Loyalität unserer Mitarbeiter gespürt. Die Zeit schweißte uns noch mehr zusammen. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken! Also half der Shop deutlich über die fehlenden Filialumsätze hinweg? Zehetner: Wir hatten davor bereits einen hohen Onlineanteil von etwa 17–18 %. Da fehlt auf 100 % doch einiges, selbst bei Verdopplung oder Verdreifachung. Man kann alles nicht ausschließlich mit Online kompensieren. Das liegt auch daran, dass wir bei Thalia Standorte haben, die aufgrund ihrer Toplagen sehr von der Laufkundschaft leben. Diese liebt es zwar, bei Thalia einzukaufen – es fehlt aber beispielsweise in Einkaufszentren die unmittelbare Bindung, wie sie vielleicht kleine unternehmergeführte Geschäfte stärker haben. Die Stammkunden kann man ansprechen – Laufkundschaft nur sehr schwer. Was passiert nun auf den Großflächen? Zehetner: Wir haben uns gut vorbereitet, werden hygienetechnisch viele Maßnahmen in die Wege leiten. Beispielsweise nehmen wir die Sitzgelegenheiten heraus, sperren die Kaffeebereiche, haben an den Eingängen der großen Geschäfte Einkaufskörbe, um die Anzahl der Kunden im Geschäft zu überblicken. Wir denken, dass die 10 m²- Regel pro Kunde gut funktionieren wird. Allein aufgrund der zu erwartenden schwächeren Frequenz wird sie wohl nicht überschritten werden. Wie schätzen Sie die Situation in Richtung Zukunft ein? Zehetner: Thalia hat ja gemeinsam mit der Mayerschen und Osiander die Shopdaheim-Plattform für Deutschland und Österreich aufgebaut und freigeschaltet. Eine Plattform, auf der sich alle stationären Händler mit ihren Standorten eintragen können – branchenübergeifend. Diese Plattform schafft Sichtbarkeit in der digitalen Welt und dient der Auffindbarkeit von stationären Geschäften. In Deutschland sind bereits über 14.000 Händler eingetragen, in Österreich sind auf www.shopdaheim.at etwa 1.000 Händler. Die Einträge sind für alle Händler kostenlos. Es gibt keinen zentralen Shop – einkaufen können Konsumenten in den Shops der einzelnen Händler bzw. in den Geschäften. Und abgesehen von der Plattform? Zehetner: Wir denken, dass die Kunden gerade in der Coronazeit gelernt haben – auch diejenigen, die es vorher nicht taten –, mit Onlinebestellungen umzugehen. Viele werden froh sein, danach wieder persönlich ins Geschäft zu gehen. Trotzdem gehen wir davon aus, dass mittelfristig das Verhältnis von Onlineumsatz zu stationärem aus der Zeit von vor Corona nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Es wird ein nachhaltiger Bruch, eine Verschiebung stattfinden – in puncto Frequenz und somit parallel auch in puncto Umsatzverteilung. Wird die stationäre Fläche ausschließlich zum Showroom? Zehetner: Nein, ganz im Gegenteil – aber die Tiefe und Breite hat man online. Auf der Fläche inszeniert man spezielle Produkte und kann besondere Themen bespielen. Der strategische Schwerpunkt für uns ist es, eine Kombination zu finden, die eine möglichst hohe Aufenthaltsqualität in einem angenehmen Ambiente mit einer breiten Auswahl ermöglicht. Gleichzeitig wollen wir dem Kunden ein optimales Service bieten, damit er möglichst schnell zu den gewünschten Produkten kommt. Wir wollen dadurch auch eine extrem schnelle Abholstation sein, denn Click & Collect hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Grundsätzlich lagen wir bei Thalia vor Corona in Summe bei 3–4 % im Plus gegenüber dem Zeitraum des vorangegangenen Geschäftsjahres. Ein Drittel des Umsatzwachstums kam über Click & Collect. Werden die gestiegenen Onlineumsätze lang fristig bei den Händlern bleiben? Zehetner: Ich befürchte, dass auf längere Sicht hin der internationale Versandhandel mehr davon profitieren wird. Die Chance, die wir Buchhändler haben – egal wer und egal wo –, ist der persönliche Kontakt zum Kunden. Diesen immensen Hebel können und müssen wir nutzen. Wir müssen alle unsere Kunden kennen, um mit ihnen auch schnell und direkt in Kontakt treten zu können. Wie läuft es mit digitalen Produkten? Zehetner: Auch die E-Books wurden während Corona verstärkt bezogen – aber nicht überproportional. Der E-Book-Anteil am Onlineumsatz bewegt sich etwa bei einem Drittel – am Gesamtumsatz bei rund 7 %. Extrem im Kommen ist aber das digitale Hörbuch – die Downloads. Das Niveau ist noch nieder, die Wachstumsraten sind aber enorm. Wir sind dabei, Angebots-Modelle zu entwickeln. Es wird auch eine Aufgabe für die Zukunft sein, durch Produktkombinationen einen höheren Deckungsbeitrag zu erzielen. Die Herbstreise steht vor der Türe ... Zehetner: Corona lehrte uns noch mehr Flexibilität. Vieles muss kurzfristig entschieden werden. Wir haben für den Moment die Devise ausgegeben, sich in den nächsten Wochen auf virtuelle Meetings zu beschränken und den physischen Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren. Danke für das Gespräch! sortimenterbrief 5/20 25


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