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sortimenterbrief März 2019

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe März 2019

© Ingo Pertramer Ossi

© Ingo Pertramer Ossi Hejlek im Gespräch mit Vea Kaiser »Wer Vea Kaiser liest, der bekommt auch Vea Kaiser« Nach den enormen Bestsellern Blasmusik- pop und Makarionissi legt Vea Kaiser nun mit Rückwärtswalzer ihren dritten Roman bei Kiepenheuer & Witsch vor. Advertorial Was fesselt Sie am Schreiben? Ist es mehr das Erfinden von Geschichten oder das Schreiben selbst? Oder ist es einfach das Erzählen? Kaiser: Es ist schon das Erzählen, denn ich schreibe eigentlich nicht gerne. Schreiben ist schlecht für den Rücken und für die Augen. Schreiben ist einsam und asozial (lacht). Die Zeit zwischen zwei Büchern ist für mich die schönste. Ich muss nicht schreiben, sondern kann mich auf das Erscheinen des aktuellen Buches freuen und mir Gedanken über die nächste Geschichte machen. Schlimm wird es, wenn ich mich wieder zurückziehen muss, um die neue Geschichte in eine Form zu gießen und zu Papier zu bringen. Aber es bleibt nichts anderes über, denn ich liebe es zu erzählen. Als Kind hatte ich den Beinamen „G’schichterldruckerin“, weil ich Schwierigkeiten hatte, bei der Realität zu bleiben. Dieses Wort ist mittlerweile sogar in den Wortschatz meines süditalienischen Ehemannes übergegangen. Es fällt mir noch immer schwer, bei Erzählungen bei den Fakten zu bleiben – ich übertreibe zu gerne. Wann widmen Sie sich Ihren Geschichten? Kaiser: Ich brauche einen regelmäßigen Tagesablauf, um gut zu schreiben. Ich kann nicht immer und überall ... Ich stehe gegen halb sieben Uhr auf, koche Kaffee, packe meinen Hund und dann begeben wir uns in unser Schreibstübchen. Mein Mann hat nämlich meine tausend Bücher, meinen Laptop und mich aus der Wohnung verbannt (lacht). Wir schreiben jetzt im Exil. Dort arbeite ich bis circa fünf Uhr. Der Vormittag ist dem Schreiben gewidmet – der Nachmittag der Korrespondenz, der Recherche und der Lektüre. Der Hund hilft mir, Regelmäßigkeit im Tagesablauf zu bewahren. Wenn Sie an einem Roman arbeiten, wie präsent sind die Geschichte und die Figuren im Alltag? Kaiser: Bei meinen ersten beiden Romanen waren sie sehr präsent. Ich sprach mir nahestehende Menschen mit den Namen der Figuren an, notierte alles, was ich tagsüber erlebte und hörte, um es vielleicht in die Geschichte einzubauen. Während der Arbeit an Rückwärtswalzer kam das nur noch selten vor. In diesem Roman geht es auch um drei sehr witzige, ältere Damen. Wenn ich dann im Park oder in der Hundezone ältere Damen traf, die mir schräge Geschichten erzählten, oder sich am Karmelitermarkt aufregten, wenn der Beinschinken einen zu kleinen Fettrand habe, war es schwierig, diese Erlebnisse nicht sofort in den Roman einzubauen. Da konnte ich dann nicht mehr widerstehen. Es kommt darauf an, ob das, was ich erlebe, Parallelen zur Geschichte oder den Figuren aufweist bzw. für die Handlung relevant ist. Ich beobachte die Welt sehr genau und bin auch furchtbar neugierig. Wenn ich ein Tier wäre, dann wahrscheinlich ein Erdmännchen, das sich ständig auf die Hinterbeine stellt, um alles mitzubekommen. Es macht mich zum Beispiel wahnsinnig, dass mein Mann als Arzt eine Schweigepflicht einhalten muss. Ich würde so gerne von seinem Medizinalltag, seinen Patienten und deren Schicksalen erfahren. Aus der Not heraus habe ich beschlossen, dass eine der Hauptfiguren meines zukünftigen Romans Urologin sein wird. Der dichte ich jetzt ein fiktives Leben an, um mir besser vorstellen zu können, was mein Mann tagsüber erlebt. Empfinden Sie den Prozess des Schreibens als einsam? 02 sortimenterbrief 3/19

novitäteninterview Kaiser: Ja, schrecklich. Jahrelang ist man alleine in einem kleinen Kämmerchen und schreibt und schreibt. Fast vergleichbar mit Straftätern, die in Einzelhaft gesperrt werden. Und dann plötzlich – wenn das Buch rauskommt – wird das Licht angeknipst und man inmitten der Öffentlichkeit ausgesetzt. Das ist schräg. Von einem Moment auf den anderen steht man im Rampenlicht, führt zig Telefonate, beantwortet unzählige E-Mails am Tag, eilt zu Terminen und Interviews, reist zu Lesungen durch den gesamten deutschen Sprachraum, fliegt zu Talkshows, trifft ständig neue Menschen. Dieser Wechsel von totaler Einsamkeit zum komplettem Ausgesetztsein in der Welt ist schon schwierig zu verdauen. Wie viele Geschichten schlummern und brodeln in Ihnen? Kaiser: Leider viel zu viele! Ich arbeite am nächsten Roman, parallel hätte ich Ideen für ein Kinderbuch, eine Jugendbuch-Serie, zwei Sachbücher und dazu schießt mir seit Jahren die Idee für eine Krimireihe durch den Kopf. Unlängst habe ich über einen Podcast sinniert, den ich gerne hätte, dazu träume ich davon, ein Projekt zur Leseund Schreibförderung Jugendlicher zu starten. Nebenbei würde ich mich auch gern mehr freiwillig engagieren, und mit dem Hund Agility-Training machen. Meinen Mann sekkiere ich regelmäßig, dass er einen Tanzkurs mit mir machen soll, außerdem möchte ich mit ihm Tennis spielen, Yoga machen, Segeln und Skifahren. Abseits dessen plane ich, noch vor meinem Vierziger einen Marathon unter vier Stunden zu absolvieren. Mit anderen Worten: in meinem Kopf rattert es die ganze Zeit. Ich kann nicht still sitzen, muss ständig in Bewegung sein. Mein Mann, der ja ein eigentlich gemütlicher Süditaliener ist, ist schon arm dran mit mir. Sogar dem Hund bin ich zu schnell, der will nicht mal mit mir laufen gehen. Was ist Ihre größte Sorge? Kaiser: Dass ich womöglich nicht lange genug leben werde, um all die Geschichten aufzuschreiben, die in mir schlummern. Das macht mich richtig wehmütig. Ein Leben ist so kurz! Wie präsent sind Selbstzweifel, wie groß der Druck nach zwei so riesigen Bestsellern? Kaiser: Das Schlimmste habe ich überstanden. Jetzt ist das Buch ja schon fertig. Voller Selbstzweifel war der Moment, als das Manuskript fertig war, die Korrekturen gemacht waren und alles in Druck gegangen ist. Da bin ich fast an dem Umstand wahnsinnig geworden, dass ich nun nichts mehr machen konnte. Gleichzeitig war das aber auch super, denn während ich das Manuskript fertig geschrieben habe, habe ich meine Hochzeit vorbereitet. Da ich mich so intensiv um mein Buch gesorgt habe, hatte ich keine Energie mehr, mich um die Hochzeit zu sorgen und war angeblich eine sehr entspannte Braut. Was soll bei einer Hochzeit schiefgehen, wo eh nur Freunde und Familie anwesend sind? Bei deinem Buch hingegen blickt die ganze Welt auf dich! Doch nun, nach den ersten Reaktionen, bin ich sehr zufrieden und glücklich. Wie würden Sie Ihr Buch kurz den Buchhändlern beschreiben? Kaiser: Rückwärtswalzer ist ein Familienroman, der von einer großen Reise erzählt. Im Zentrum stehen drei ältere Damen, die dem einzigen Mann, der sie nie enttäuscht hat, ein Versprechen gegeben haben. Und die Geschichte dreht sich darum, wie sie schließlich gezwungen werden, dieses Versprechen einzuhalten. Erzählt wird eine tragikomische Reise durch die Jahrhunderte und quer über den Balkan. Die drei Damen wollen nämlich mit ihrem Drittel-Life-Crisis-geplagten Neffen Lorenz, einem erfolglosen Schauspieler, und ihrem Chauffeur, dem verstorbenen Onkel Willi seinen letzten Wunsch erfüllen: in Montenegro begraben zu werden. Da sie nicht genug Geld für die regelkonforme Überführung haben, besorgen sie selbst den Transport, indem sie Onkel Willi kurzerhand auf den Beifahrersitz verfrachten. Während dieser verrückten Fahrt ereignen sich allerhand skurrile Situationen. Die Geschichte dreht sich um Familie, um Versprechen, um Generationenkonflikte, um Enttäuschungen, um Schuld und viele große menschliche Themen. Auch die römische Mythologie findet ihren Platz, wenn die Frage verhandelt wird, was nach dem Tod passiert. Daneben kommt auch sehr viel Essen vor und aus der Mode gekommene Gerichte der österreichischen Küche. Die Protagonisten sind mir sehr ans Herz gewachsen – man kann mit ihnen lachen und auch weinen. Ich denke mal, die Leser meiner ersten beiden Romane werden meine Handschrift wiedererkennen. Wer Vea Kaiser liest, der bekommt auch Vea Kaiser (lacht). Danke für das Gespräch! Vea Kaiser, Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger 160 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag ISBN 978-3-462-05142-1, € 22,70 Kiepenheuer & Witsch www.kiwi-verlag.de sortimenterbrief 3/19 03


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