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sortimenterbrief März 2020

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe März 2020.

novitäten interview ©

novitäten interview © Aleksandra Pawloff © privat Ossi Hejlek im Gespräch mit Nuno Maulide und Tanja Traxler »Chemie lässt sich verständlich erklären, da sie sämtliche Bereiche unseres Lebens durchdringt.« Advertorial In der Einleitung schreiben Sie, wie sehr Sie die Chemie fasziniert. Was ist das Faszinierende daran? Maulide: Chemie ist eine Wissenschaftsdisziplin, die ihr eigenes Forschungsobjekt selbst generiert. In der Synthesechemie sind wir in der Lage, makroskopische Eigenschaften von Molekülen und Materialien – wie zum Beispiel die Farbe oder den Aggregatszustand – auf molekularer Ebene zu steuern. Weiters erzeugen wir täglich im Labor Substanzen, die in den vergangenen Milliarden Jahren nie auf diesem Planeten existiert haben. Das ist schon mehr als faszinierend, es ist absolut spannend – oder? Chemie ist ein sehr komplexer Bereich. Wie gelingt es, diesen einer breiten Leserschaft verständlich zu machen? Maulide: Indem wir abstrakte Konzepte anhand von alltäglichen Beispielen, mit denen jeder zu tun hat, erklären. Ein praktisches Beispiel von Schwefel- Chemie sind etwa gelockte Haare. (Weiteres dazu im Buch ... *lacht*) Welches Ziel verfolgt das Buch? Wen sehen Sie als Leserzielgruppe dafür? Traxler: Man könnte sagen, dass dieses Projekt aus Kommentaren wie der vorherigen Frage entstanden ist: Einige Menschen sind der Meinung, dass Chemie ein sehr komplexes Thema ist, mit dem sie in ihrem Alltag nicht viel zu tun haben. Das stimmt so aber nicht. Mit unserem Buch wollen wir zeigen, dass sich Chemie sehr verständlich erklären lässt, da sie sämtliche Bereiche unseres Lebens durchdringt. Gleichzeitig geht es uns darum, die Relevanz dieser Wissenschaftsdisziplin hervorzuheben. Daher ist unsere Leserzielgruppe so breit wie möglich. Wir denken, dass für jeden Menschen 38 sortimenterbrief 3/20

viel Interessantes und Neues in diesem Buch zu finden ist! Was enthält Tonic Water und wozu diente es ursprünglich? Traxler: Tonic Water war ursprünglich eine Standardausrüstung vieler europäischer Kolonialarmeen in Ländern, in denen die Malaria grassierte. Seine wesentliche Zutat ist Chinin (die ersten Versionen von Tonic Water hatten einen besonders hohen Chinin-Gehalt). Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, muss Tonic Water regelmäßig getrunken werden, aber der hohe Chinin-Gehalt führt zu einem sehr bitteren Geschmack. Um Tonic Water dennoch in ausreichendem Maße zu sich zu nehmen, hatten die Soldaten die Idee, es mit Gin zu mischen – daraus ist der Gin Tonic entstanden. Brauchen die großen Entdeckungen immer den Zufall als Weggefährten – Stichwort Polyethylen? Maulide: Nicht unbedingt. Trotzdem ist es so, dass eine durch wirklichen Zufall gemachte Entdeckung immer potenziell ein „Game Changer“ ist – einfach, weil alles, was man am Anfang eines Experimentes nicht vorhersehen kann, unsere derzeitigen Kenntnisse vermutlich infrage stellt. Und das ist das Alleinstellungsmerkmal von großen Entdeckungen – eine Veränderung des wissenschaftlichen Status quo. Wie sehr braucht die Erde den natürlichen Treibhauseffekt, was verursacht ihn und warum muss andererseits der böse verhindert werden? Maulide: Der Erde ist der Treibhauseffekt, ehrlich gesagt, wohl egal (lacht), aber die Existenz von höherem Leben auf der Erde hängt entscheidend davon ab. Der natürliche wie auch der menschengemachte Treibhauseffekt entsteht durch Treibhausgase in unserer Atmosphäre. Diese Gase sind für Sonnenstrahlung durchlässig, doch sie halten die Wärmestrahlung der Erde zurück, wodurch sich die Erdoberfläche erwärmt. Die Menschheit hat sich in den vergangenen Jahrtausenden in einem bestimmten Temperaturbereich entwickelt. Durch den menschengemachten Treibhauseffekt drohen wir diesen Bereich zu verlassen – mit ungewissen Folgen. In puncto Klimawandel reicht es nicht, den CO2-Ausstoß zu minimieren. Vor allem muss man ihn auch wieder aus der Atmosphäre bringen. Wie gelingt das? Traxler: Die Photosynthese ist ein genialer Prozess, durch den Pflanzen nicht nur Energie gewinnen, sondern auch Kohlendioxid aufnehmen und dabei Sauerstoff abgeben. Auch Chemiker haben sich Gedanken darüber gemacht, wie man ein Verfahren entwickeln könnte, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen. Wir diskutieren einige Ideen dazu in unserem Buch, bisher gibt es aber noch kein derartiges Verfahren, das in großem Stil eingesetzt wird. Können Sie den Begriff „Depolimerisierung“ kurz erläutern? Maulide: Bei der Herstellung von Kunststoffen werden, sehr vereinfacht gesagt, lange Ketten aus Molekülen gebildet. Ich finde, man kann sich das gut anhand der Vorstellung einer alten Dame verdeutlichen, die rohe Schafwolle zu einem Faden verspinnt. Die Wollfasern werden in der Chemie Monomere und das Spinnen Polymerisierung genannt. Die Depolymerisierung ist genau der gegenteilige Prozess: Aus langen Molekülketten werden lose Einzelteile gemacht. Es gibt bereits Möglichkeiten zur Depolymerisierung, wodurch Kunststoff wieder in seine Einzelteile zerlegt und zu anderen Molekülen zusammengesetzt werden kann. Man spricht dabei von chemischem Recycling. Danke für das Gespräch! novitäten interview Nuno Maulide 1979 in Lissabon geboren, ist preisgekrönter Professor und Institutsvorstand für Organische Chemie an der Universität Wien und Wissenschafter des Jahres 2018. Er studierte Klavier und Chemie in Lissabon und absolvierte Forschungsaufenthalte an den Universitäten in Leuven, Paris und Stanford. Ab 2009 war er Gruppenleiter am Max-Planck- Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Seit 2013 hat er die Professur für Organische Synthese an der Universität Wien inne. Tanja Traxler geboren 1985, studierte Physik und Philosophie an der Universität Wien und an der University of California/Santa Cruz. Seit 2015 ist sie Wissenschaftsredakteurin bei „Der Standard“. 2018 wurde sie mit dem Österreichischen Förderpreis für Wissenschaftspublizistik ausgezeichnet. Zusammen mit David Rennert hat sie das Buch Lise Meitner – Pionierin des Atomzeitalters (Wissenschaftsbuch des Jahres 2019, Kategorie Naturwissenschaft) geschrieben. Nuno Maulide, Tanja Traxler Die Chemie stimmt! Eine Reise durch die Welt der Moleküle ca. 208 Seiten, zahlr. Abb., Hardcover mit SU 978-3-7017-3505-1, € 22,– Residenz Verlag, ET: 10. März sortimenterbrief 3/20 39


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