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sortimenterbrief März 2021

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe März 2021.

uchrezension

uchrezension www.barbara-brunner.at Der aktuelle Lesetipp von Dr. Barbara Brunner Liebe Menschen, „Ich wünsche dir, dass du in Zukunft nicht alles aushalten musst, was du aushalten kannst“, sagte 1939 der jüdische Intellektuelle Dr. Sigmund Kartmann in einem Warschauer Gefängnis zu einem Zellengenossen. In der Tat macht es mich immer wieder fassungslos, was Menschen einander antun können und – umgekehrt – was die Einzelnen zu ertragen in der Lage sind. Vier Bücher über vier bemerkenswerte Menschen darf ich Ihnen daher vorstellen: Da ist einmal die Autobiografie von Joseph Melzer, der 1908 in Galizien in eine bürgerliche jüdische Familie geboren wurde, mit dem Vater 1918 nach Berlin kam und in verschiedenen deutschen Städten eine Lehre machte, der 1933 vor den Nazis nach Palästina floh und sich dort inmitten der militanten Zionisten nicht heimisch fühlte. Daher kehrte er 1936 nach Europa zurück, baute in Paris einen erfolgreichen Handel mit jüdischen Büchern auf, bevor er in die Mühlen der Geschichte geriet: Weil sein Pass abgelaufen war, musste er nach Warschau fahren, dort wurde er verhaftet, konnte nach Russland fliehen, um dort als deutscher Spion nach Sibirien in einen Gulag transportiert zu werden. Über abenteuerliche Wege kehrte er 1948 nach Israel zurück und war einmal mehr entsetzt über das Verhalten der Israelis gegenüber den arabischen Bewohnern. Das war nicht seine Welt. Obwohl er, bedingt durch sein Schicksal, nur insgesamt drei Jahre Volksschule vorweisen konnte, war er ein manischer Lesender und ein sich zeitlebens mit der jüdischen Frage befassender Gelehrter. Und in der Seele fühlte er sich trotz allem Deutschland und der deutschen Kultur zugehörig. Was alles geschah, bis er 1958 in Köln den gleichnamigen Verlag gründete, das findet sich in dem Buch mit dem Titel Ich habe neun Leben gelebt. Nur ein Leben hatte der 1908 geborene katholische Priester Heinrich Maier. Der junge, hochgebildete, brillante Rhetoriker war Kaplan in Gersthof und verkehrte in den höchsten Kreisen Wiens. Aber er konnte seinen Glauben und seine Haltung nicht den Vorgaben des Dritten Reiches unterordnen und so leitete er ab 1940 eine der wichtigsten Widerstandsgruppen, die strategische Informationen an die Alliierten weitergab. Noch 1944 wurde er verhaftet und als „Gefangener 2959“ fast ein Jahr lang von der Gestapo verhört und gefoltert, nach Mauthausen gebracht und schließlich noch im März 1945 enthauptet. Es gelingt dem Autor Bernhard Kreutner in Gefangener 2959 nicht nur, den Lebens- und Leidensweg Heinrich Maiers nachzuzeichnen und anhand der Verhörprotokolle die bewundernswerte Haltung dieses Mannes zu zeigen, sondern auch in erschütternden und ebenso berührenden inneren Monologen die Verzweiflung und die bedingungslose Hingabe an seinen Gott spürbar zu machen. Was für ein Mensch! Eine ganz andere Geschichte erzählt uns Volker Weidermann in seinem Buch Brennendes Licht, mit dem er die Autorin Anna Seghers auf ihrer Flucht aus Europa begleitet: 1941 wird ihr und ihrer Familie aus einem völlig unsinnigen Grund die Einreise in die USA verwehrt, und so muss die Familie weiter in das ihr fremde Mexiko. Aber Anna Seghers ahnt nicht, dass die Jahre in Mexiko ihr Leben entscheidend prägen werden. Hier wird sie mit der Veröffentlichung des „Siebten Kreuzes“ in den USA über Nacht berühmt, hier schreibt sie ihre wichtigsten Werke und erfährt sowohl den Verlust der Mutter, die sie nicht mehr aus Nazi-Deutschland retten kann, als auch die eigene Endlichkeit, als sie bei einem schweren Verkehrsunfall fast stirbt. In den Jahren 1941 bis 1947 trifft sie in Mexiko-Stadt nicht nur Diego Rivera, Frida Kahlo und Pablo Neruda, sondern auch deutsche Exilkommunisten und Juden, die wie sie mit dem Stalinismus ringen. Über all dem „Glück“, dem Nazi-Terror entkommen zu sein, bleibt die brennende Sehnsucht nach Europa und nach der eigenen Sprache. Als überzeugte Kommunistin kehrt Anna Seghers 1947 nach Ostberlin zurück, wo sie 1983 stirbt. Eine überzeugte Kommunistin ist auch Eva, die 1934 ihre Söhne Slavko und Karl aus Wien mit einem Kindertransport nach Russland schickt, um sie vor den Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Die „Schutzbundkinder“ machen die ersten Jahre Ferien auf der Krim und kommen dann in ein luxuriöses Heim in Moskau. Bis Hitler den Pakt mit Stalin bricht und die Kinder in staatliche Heime gesteckt werden. 1939 verlieren sich die Brüder aus den Augen, Karl wird aufgegriffen, kommt in eine Besserungsanstalt für Kinder und Jugendliche und später als „Volksfeind“ ins Arbeitslager. Die Jahre vergehen, im Gulag lernt er seine zukünftige Frau Nina kennen, die Mutter der Autorin. Karl will nach Wien zurück, sobald es die Umstände erlauben, seine Frau zwingt er damit in die Fremde ... Ljuba Arnautovics ´ Buch Junischnee ist ein ebenso mitreißender wie ins Herz gehender Roman, der einmal mehr zeigt, wie Menschenverachtung und politische Willkür im 20. Jahrhundert das Schicksal der Menschen bestimmten. Vier Schicksale, vier Bücher, ein jedes bemerkenswert und nachhaltig. Ein jedes Wert gelesen und deren Geschichte bewahrt zu werden. „Stolz muss man sich leisten können“, sagte Joseph Melzer in einem Verhör. Wie schrecklich und wie wahr! Nachdenkliche Grüße Ihrer Barbara Brunner 20 sortimenterbrief 3/21

»Das Beste, was ich je darüber gelesen habe, wie es ist, ein funktionierendes Rädchen im globalen Kapitalismus zu sein.« J I A TOLENTINO, T H E NEW Y O R K E R »Dieser bereits vor Corona in den USA erschienene Roman über eine fiktive Pandemie ist das Buch der Stunde.« T H E RINGER »N E W YORK GHOST« der vielfach preisgekrönte Roman von L I N G MA, übersetzt von Z O Ë BECK, ab 23. März bei CulturBooks. Ausgezeichnet mit dem Whiting Award · Young Lions Fiction Award · Kirkus Prize · Cabell First Novelist Award · Friends of American Writers Prize · Auf der Shortlist des PEN Award for Debut Novel ET: 23. März. Roman. 360 Seiten. Aus dem Amerikanischen von Zoë Beck. Hardcover, € 23,70 (A) ISBN 978-3-95988-152-4 Verlagsvertretung: Anna Güll, anna.guell@pimk.at IST ES DAS ENDE DER WELT ODER NUR EIN GANZ NORMALER TAG IM BÜRO? Leseexemplar erhältlich Ling Mas bereits vor Corona geschriebenes Romandebüt über eine fiktive Pandemie, die sich über den Planeten ausbreitet, ist vieles: eine bewegende Familiengeschichte, eine originelle Endzeiterzählung, ein hochaktueller Gegenwartskommentar, eine beißende Satire auf den modernen Kapitalismus und eine erschreckende Vision dessen, was danach kommen könnte … »Klug, witzig, menschlich und außerordentlich gut geschrieben.« K I R K U S R E V I E W


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