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sortimenterbrief März 2021

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe März 2021.

© Fritz Treiber

© Fritz Treiber Advertorial Ossi Hejlek im Gespräch mit Dr. Fritz Treiber »Eine Beere aus dem Regenwald ... ist sexyer als unsere Heidelbeere ...« Der Molekularbiologe erklärt, wie unser Verdauungstrakt funktioniert, warum uns was gut oder schlecht tut und bezieht aus wissenschaftlicher Sicht eine sehr kritische Position zu manchen Lifestyletrends Was beinhaltet der Studiengang Ernährung bzw. was machen Sie als Molekularbiologe an der Uni Graz im Alltag? Treiber: Der Lehrgang beinhaltet unter anderem eine Einführung in die Geschmackssensorik, Laborarbeit in puncto molekularer Küche, das Kennenlernen fremdländischer sowie historischer Küchen wie der mittelalterlichen und Spezialgebiete wie Fermentation. Es geht aber auch um die Nachhaltigkeit der Prozesse in Küche und Industrie. Ebenso spielt die Welternährung hinsichtlich Wassermangel oder Klimawandel eine Rolle. Wir bieten auch Kochkurse an, in denen Wissenschaft in Kombination mit Kochen vermittelt wird, z. B. zur japanischen Küche. Dabei übernehme ich den wissenschaftlichen Teil, eine japanische Köchin den praktischen. Ich war auch schon vice versa in Japan an den Universitäten von Nagasaki und Hiroshima für Vorträge eingeladen. Sie sind auch im Fernsehen präsent. Treiber: Im ORF erzähle ich regelmäßig darüber, was in Nahrungsmitteln enthalten ist. Ich verstehe mich aber nicht als dogmatischen Prediger – meine Rolle ist das Aufklären. Jeder kann danach selbst entscheiden, was er tut ... oder isst. Die Leute sollen ihre Entscheidungsfreiheit haben. Wenn jemand sagt: „Ich esse meine Schnitzel und Leberkässemmeln weiterhin, egal, welche Auswirkungen es hat“, dann ist das seine Entscheidung. Aber er kennt zumindest die Folgen. Und welche Folgen wären bei regelmäßigem Konsum von Schnitzeln bzw. Leberkässemmeln zu erwarten? Treiber: Da spielen natürlich sehr viele Faktoren mit. Fakt ist, dass durch das vorwiegende Verspeisen von Fastfood und hoch prozessierten Lebensmitteln das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfällen steigt. Darauf weisen die wissenschaftlichen Daten hin. Diabetes gehört ebenso zu den potenziellen Folgen. Natürlich gibt es einzelne Ausnahmen, die von Betroffenen immer gerne zitiert werden. Berichte von Einzelnen über Einzelne sind wissenschaftlich aber leider nicht relevant (lacht). 04 sortimenterbrief 3/21

wenn wissenschaft auf lifestyle trifft Was versteht man unter hochprozessiertem Essen? Treiber: Man unterscheidet vier Stufen. Auf Stufe eins stehen unbehandelte Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, aber auch Fleisch. Im Wesentlichen also Nahrung, die nicht industriell verändert wurde. Die zweite Stufe bezieht sich auf leicht veränderte, wie Pflanzenöle oder Butter. Dann folgen die stärker veränderten Lebensmittel, wie Thunfisch aus der Dose. Die vierte Stufe bezieht sich auf ultrahoch verarbeitete Lebensmittel, bei denen von der Ausgangsstufe des Produkts nichts mehr zu erkennen ist. Dies sind meist Fertigprodukte, deren übermäßiger Genuss beispielsweise aufgrund von darin enthaltenen Stoffen wie Phosphaten, Fructose, Zucker etc. bedenklich ist. Im Buch habe ich zum Thema der hochprozessierten Lebensmittel spannende Ergebnisse einiger Studien präsentiert. Das Buch versteht sich als kurzweilige, immer wieder humorvolle, aber auch in vielen Punkten sehr deutliche Informationsquelle ... Treiber: Es basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen – gepaart mit Wissenswertem aus dem Alltag. Ich beschreibe die Verdauung in den einzelnen Stufen und das Zusammenspiel der Abläufe mit der Ernährung. Oder die gesundheitlichen Aspekte von Honig, fermentierten Lebensmitteln, Fleisch sowie vegetarischer und veganer Ernährung. Was sagt die Wissenschaft, wo gilt es vorsichtig zu sein, worauf ist zu achten ... Der Humor macht es auch gut verträglich (lacht). Sie nehmen gegenüber Lifestyletrends und entsprechenden Produkten eine sehr kritische Position im Buch ein. Treiber: Aufgrund unzähliger Videos im Internet, die heute eine neue Ernährungsphilosophie und morgen eine schnelle Superdiät propagieren, können Konsumenten grundsätzlich kaum noch unterscheiden, was der Erfahrungsbericht eines Einzelnen, was ausschließlich Content zur Erhöhung von Klickraten oder Followern und was wissenschaftlich fundiert ist. Die einen probieren dies, die anderen das – vertrauen auf Trends, suchen Rat. Im Buch erhält man viele Antworten. Bei Trend-Diäten verliert man schnell Kilos, weil man Alkohol, Brot, Zucker ... weglässt und dafür mehr Gemüse isst. Wenn einem jemand nur rät: „Iss mehr Gemüse!“, würde sich keiner daran halten. Die Menschen brauchen trendige Bezeichnungen – ähnlich bei der Entgiftung, die ein großes Thema ist. Der Körper entgiftet über die Leber Fritz Treiber, Faktencheck Ernährungsdschungel Was wirklich in unserem Essen steckt 2021, Carl Ueberreuter Verlag, 180 S., Broschur, 978-3-8000-7763-2, € 20,– und die Nieren und scheidet so die Schadstoffe aus. Aus wissenschaftlicher Sicht kann man seine Leber am besten unterstützen, indem man ihr weniger zu tun gibt – zum Beispiel durch eine Reduktion der Alkoholoder Fructose-Zufuhr. Grundsätzlich sollte man anlassbezogen zuerst seinen Hausarzt konsultieren und mit einer Blutuntersuchung abchecken, welche Stoffe einem fehlen, ob es tatsächlich Unverträglichkeiten gibt, wie und wo therapeutisch anzusetzen ist ... Wie sieht es mit den angepriesenen Inhaltsstoffen von Trendprodukten aus? Treiber: Die beworbenen Inhaltsstoffe sind in der Regel vorhanden, aber zumeist nur in geringen Mengen. Wollte man mit besonders mineralstoffhaltigem Wasser allein seinen Tagesbedarf decken, müsste man davon rund sechs Liter pro Tag trinken. Dabei könnte man fast das gleiche Ergebnis erzielen, indem man einen Paprika isst. Von der Ökobilanz rund um den Planeten gekarrter Wasserflaschen ganz zu schweigen. Das Leitungswasser in Österreich ist eines der besten der Welt. Und Plastikflaschen benötigt es auch nicht! Gutes Marketing zeigt seine Wirkung – auch was die soziologische Komponente betrifft. Denn wer für andere sichtbar bestimmte Markenprodukte konsumiert, signalisiert: „Mir geht es besser!“ Was es bringt, ist eine andere Frage ... Braucht der Mensch Begriffe wie Superfood, damit er daran glauben kann? Oft hilft ja schon der Glaube ... Treiber: Eine Beere aus dem Regenwald ist – werbewirksam verpackt – deutlich sexyer als eine Heidelbeere. Ebenso klingt der Chia-Samen aus Mexiko verheißungsvoller als unser Leinsamen. Wir haben nährstoffreiche heimische Lebensmittel, die gepaart mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und nachhaltiger Lebensweise eine gute Basis für gesunde Ernährung darstellen. Wovon man aus wissenschaftlicher Sicht besser die Finger lässt, steht ebenfalls im Buch. Danke fürs Gespräch! Dr. Fritz Treiber wurde in Falls Church, Virginia (USA), geboren. Er studierte Mikrobiologie und Molekularbiologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und ist Kursleiter des universitären Geschmackslabors und Koordinator für den Studiengang Ernährung, Gesundheit und Konsum. Er tritt als Nahrungsmittelexperte regelmäßig in der ORF- Sendung „Studio 2“ auf. sortimenterbrief 3/21 05


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