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sortimenterbrief November 2020

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe November 2020.

novitäten interview ©

novitäten interview © privat Teresa Petrovitz im Gespräch mit Torsten Riecke »Werden wir zum lachenden Dritten unter den Big Playern? Völlig andere Perspektive auf die gegenwärtige Weltlage!« Herr Riecke, mit Blick auf die Position Europas im globalen Kampf um wirtschaftliche, politische und technologische Hegemonie stößt man vielerorts auf pessimistische Prognosen. Diskursbestimmende Denker wie Thomas L. Friedman, den Sie auch in Ihrem Werk zitieren, sehen Europa mit einem schleichenden Machtverlust konfrontiert. Verstehen Sie Ihr neues Buch Europas Stunde als ein bewusstes Gegenplädoyer? Riecke: Ich versuche in meinem Buch zwei Dinge: die Stärken Europas in Erinnerung zu rufen, ohne die offenkundigen Schwächen zu leugnen. Damit möchte ich natürlich auch Mut machen. Mut, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und dennoch nicht zu verzagen. Viele erwarten ein asiatisches Jahrhundert. Aber das ist kein Naturgesetz. Wir Europäer haben es selbst in der Hand, uns, unseren Wohlstand und unsere Werte zu behaupten. Sie sprechen im Buch von einem „anderen Kalten Krieg“, den nunmehr insbesondere die Großmächte USA und China austragen und damit auch Europa in Bedrängnis bringen. Welche Aspekte determinieren den Kalten Krieg des neuen Jahrtausends? Riecke: Zunächst einmal ist es wichtig, dass es sich tatsächlich um einen anderen Kalten Krieg handelt, der mit dem alten Ost-West-Konflikt nur wenig gemeinsam hat. Unsere Welt ist heute viel vernetzter als damals, und sie ist weniger in feste Blöcke eingeteilt. So wird es möglicherweise diesmal auch keine Teilung der Welt in eine amerikanische und eine chinesische Einflusssphäre geben. Viele Länder und Regionen lehnen dieses Entweder-oder ab. Kennzeichnend für den aktuellen Kalten Krieg ist, dass er in der Arena der Wirtschaft vor allem mit neuen Technologien ausgetragen wird. Die militärische Stärke der Kontrahenten spielt weiter eine wichtige Rolle, bleibt aber bislang eher im Hintergrund. Sie begreifen die aktuellen Entwicklungen als Möglichkeit für eine Renaissance Europas und streichen diesbezüglich die Tugenden des Kontinents hervor. Über welche Tugenden verfügt Europa? Riecke: Europa ist der Kontinent der Aufklärung, des kritischen Rationalismus. Das sind in einer Zeit, in der sich die Politik in vielen Ländern nicht mehr über die Fakten verständigen kann, wichtige Tugenden. Europa steht mit all seiner historischen Erfahrung für einen multilateralen Politikansatz, bei dem der Kompromiss keine Niederlage, sondern ein Wert ist. Der große Franzose Alexis de Tocqueville hat einmal sinngemäß gesagt, Gemeinsinn sei wohlverstandener Eigennutz. Das ist Europa pur. Inwiefern kann Europa bzw. die EU mithilfe dieser Tugenden punkten und zwischen den Großmächten USA und China bestehen? Riecke: Viele der drängendsten globalen Probleme lassen sich nur multilateral, also zusammen mit anderen Ländern lösen. Das gilt für den Klimaschutz genauso wie für den Kampf gegen Pandemien oder für den Frieden. Das spielt Europa in die Hände, denn das sind unsere Stärken. Aber das reicht nicht. Europa muss auch auf anderen Gebieten stärker werden, bei der Entwicklung neuer Technologien und auch militärisch. Sie plädieren für ein souveränes Europa und lehnen das Konzept der Autonomie ab, insbesondere in Hinblick auf Digitalisierung und Big Data. Wie sieht ein souveränes Europa für Sie aus? Riecke: Souveränität heißt Selbstbestimmung. Europa sollte sich nicht auf Druck Chinas oder der USA für oder gegen die 5G-Technologie von Huawei entscheiden, sondern weil es seine eigenen Interessen abgewogen hat. Souveränität heißt aber nicht, wir machen künftig alles selbst – vom Mikrochip bis hin zum Solarpanel. Das wäre ökonomischer Unsinn und würde die Erfolge der Globalisierung rückgängig machen. Für Ihr Denkgebäude greifen Sie auf den psychologischen Begriff der Resilienz zurück. Inwiefern hat dieses 48 sortimenterbrief 11/20

Konzept Bedeutung im globalen Wettstreit? Riecke: Globale Krisen gab es schon vor den Corona-Pandemie. Auch nach der Finanzkrise wuchs der Wunsch, das internationale Finanzsystem krisenfester, also resilienter zu machen. Covid-19 hat diesen Wunsch weiter verstärkt. Politische Stabilität, finanzielle Solidität und sozialer Zusammenhalt bestimmen heute die Resilienz von Nationen – verglichen mit anderen Regionen steht Europa dabei nicht so schlecht da. Ihr Buch ist auch insofern hochaktuell, als Sie als USA-Kenner – etwa aufgrund Ihrer Tätigkeit als Korrespondent für das deutsche Handelsblatt – sehr anschaulich die innen- und außenpolitischen Verwerfungen der Trump’schen Amtszeit nachzeichnen und eine Wiederwahl in Ihrer Argumentation mitdenken. Sie sprechen sich für ein Solidarverhältnis zwischen Europa und den USA aus, trotz aller ideologischen und realpolitischen Konflikte. Welche Motivation steckt dahinter? Riecke: Dahinter steht die Einsicht, dass Europa ein Teil des Westens ist und deshalb die Wahl zwischen Peking und Washington schon vor langer Zeit getroffen hat. Viel wird über den Niedergang des politischen Westens lamentiert. Aber schauen Sie nach Hongkong oder Belarus, dort gehen Menschen für westliche Werte auf die Straße. Ich bin überzeugt, dass Europa und Amerika nicht nur die gleichen Werte, sondern auch gemeinsame Interessen haben. Zum Beispiel, indem sie autoritären Regimen in China oder Russland Paroli bieten. In Ihrem Buch findet auch die Covid-19-Problematik Niederschlag. Inwiefern hat sich das Geschehen rund um die Pandemie auf Ihr Buch ausgewirkt? Waren Sie – vielleicht überraschenderweise – gezwungen, sortimenterbrief 11/20 novitäten interview manche Ihrer Thesen zu verwerfen oder zu adaptieren? Riecke: Die Idee für dieses Buch ist entstanden, als noch niemand das Covid-19-Virus kannte. Die Pandemie hat das Narrativ meines Buches natürlich verändert, aber es ist dennoch kein Buch über Corona geworden. Die Pandemie spielt deshalb eine wichtige Rolle, weil sie langfristige Trends verstärkt, die es schon vorher gab. Zum Beispiel den Nationalismus oder Versuche, die miteinander vernetzten Wirtschaftsregionen voneinander abzukoppeln, oder auch die Digitalisierung unseres Lebens. Danke für das Gespräch! Torsten Riecke Europas Stunde Der Kampf der großen Mächte und die Renaissance eines unterschätzten Kontinents 240 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-280-05725-4 € 20,60 | Orell Füssli Torsten Riecke ist nach dem Studium der Volkswirtschaft in den Journalismus gegangen. So berichtete er u. a. aus Frankfurt, London, New York und Zürich. Heute schreibt er als International Correspondent für das deutsche Handelsblatt über internationale Politik, Wirtschafts- und Finanzthemen. Riecke lebt mit seiner Familie in Berlin und drückt immer noch den New York Knicks, hin und wieder aber auch Union Berlin die Daumen. 49 Schenken Johanna Fischer Folge deinem Bauchgefühl Durch Achtsamkeit und Selbstvertrauen zum Wohlfühlkörper 192 Seiten · 19,90 € ISBN 978­88­6839­512­4 Christine Mayr Das „So kocht Südtirol“ Getränkebuch 256 Seiten · 19,90 € ISBN 978­88­6839­498­1 Auslieferungen BroCom Infos & Leseproben www.athesia-tappeiner.com


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