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sortimenterbrief oktober 2022

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Oktober 2022.

ein schwarzhumoriger

ein schwarzhumoriger krimiTeresa Petrovitz im Gespräch mitJoesi ProkopetzWenn sich derTeufel aus demDetail befreitHerr Prokopetz, eigentlich haben Sie sich immer der kleinenliterarischen Form verschrieben – abgesehen von einem einmaligenRomanversuch in jungen Jahren, mit dem Sie aber,nach Ihren Aussagen, krachend gescheitert sind. Mit Teufelskreuzhaben Sie nun aber doch Ihren ersten Krimi vorgelegt.Wie kam es zu diesem Sinneswandel und wie erging es Ihnenbeim Schreiben?Prokopetz: Mein erster Romanversuch liegt viele, viele Jahrezurück und war nicht der Rede wert, oder besser gesagt:ein Schmarrn. Dass ich nun einen ganzen Krimi geschriebenhabe, lag an den letzten zwei Pandemiejahren. Ich hattein dieser Zeit so gut wie nichts zu tun. Durch die Muße kamdann die Idee zum Buch, die ich schon länger im Kopf hatte, andie Oberfläche. Ich habe mich einfach hingesetzt, ganz ohneDruck, und geschrieben, was mir zunehmend Spaß und Freudebereitet hat. Und mir ist glücklicherweise wahnsinnig vieleingefallen.Geworden ist daraus ein bitterböser und schwarzhumorigerKrimi, der alle Genregrenzen sprengt. Schließlich ist Ihr Protagonistein übernatürlicher Geselle, der als Pfarrer getarntin einem Provinzdorf für viel Mord, Totschlag und auchamouröse Verwicklungen sorgt, während ermittlungstechnischsehr wenig vorangeht. War dieses Spiel mit den KonventionenIhre Intention?© Gary MilanoProkopetz: Das war ganz klar ein Teil meiner Idee. Denn esist doch bei so gut wie allen Krimis grosso modo so, dass imZentrum die Ermittler:innen stehen und das Geschehen ausderen Perspektive geschildert wird. Egal, ob im Fernsehen oderin Buchform. Diese Ermittler:innen sind dann stets sehr charismatisch,mit unheimlich interessanten, dramatischen Biografien.In so manchen Fernsehkrimis sind die, die ermitteln, sogaräußerst sympathische und sportliche junge Menschen, dienoch dazu human und freundlich zu den Verdächtigen sind.In Wirklichkeit ist so etwas ja überhaupt nicht der Fall. Wennin einem Dorf, so wie ich es beschreibe, tatsächlich ein Mordpassiert, dann sind die Verantwortlichen dort wahrscheinlichsehr hilflos. Und wenn nicht hilflos, dann sind sie sicherlich06sortimenterbrief 10/22

von einem der beliebtesten kabarettisten österreichsnicht human und zuvorkommend, sowie wir es tagtäglich in Krimis vorgesetztbekommen, sondern knallhart oder aufalle Fälle anders. Es war mir jedenfallsein großes Anliegen, diese typischenund auch sehr langweiligen Schemata zudurchbrechen und andere Perspektivenzu schildern, mehr Wert auf die Dialoge,die Geschichte und die unterschiedlichenFiguren zu legen.Was hat es mit dem Handlungsort Ursprung,einem Dorf in der Provinz mit− wohlgemerkt – 69 Einwohner:innenauf sich?Prokopetz: Ursprung gibt es ja wirklich,es handelt sich dabei um eine kleine Gemeindeam Dunkelsteiner Wald. Und indieser Ortschaft hatte ich vor vielen Jahrendas Schlüsselerlebnis, das zu Teufelskreuzgeführt hat. Ich war dort zu Gastbei einem Freund auf seinem wirklichtollen alten Bauernhof. Wir haben dortein sehr kontemplatives Wochenendeverbracht, viel geredet und erfunden. Aneinem Abend saßen wir draußen in derAbenddämmerung. Da kam plötzlichein Mann auf einem Pferd aus dem DunkelsteinerWald. Heute könnte man sagen:Naja, der Mann hatte eben ein Pferd.Aber diese Szene hatte was, sie wolltemir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Fürmeinen Krimi bin ich dann allein vondiesem Bild ausgegangen, es war sozusageneine Initialzündung realiter. DieSzene findet sich auch so im Buch wieder,nur in einem anderen Kontext.Neben dieser Gestalt finden viele skurrileFiguren in Ihrem Buch Platz – voneigentümlich-promisken Ehegatten bishin zur bigotten Pfarrersköchin Resi,die dem neuen Pfarrer Mano Urian sogleichmit Haut und Haaren verfällt.Wer ist in diesem Panoptikum Ihre Lieblingsfigur?Der böse Pfarrer?Prokopetz: Ich gebe zu, es ist der Pfarrer,der all das Unheil ins Dorf bringt. Umnicht zu viel zu verraten, ist dieser Manoeine Figur, die aus dem gnostischenGlauben kommt. Ich habe den Krimi sozusagenmit Okkultem unterlegt. Nichtnur aus dramaturgischen Gründen.In der Lehre der Gnosis wird kurz gesagtvon einem guten, aber teilnahmslosenGott und zugleich von einembösen Schöpfergott, dem Demiurgen,ausgegangen. Der Blick auf die Welt istaus gnostischer Sicht jedenfalls weit wenigeroptimistisch als der traditionellchristliche.Prokopetz: Diese weniger optimistische,aber realistischere Sicht ist auchin mein Buch eingeschrieben. Was abernicht heißen soll, dass ich Gnostiker bin.Mir geht es dabei vielmehr um den Effekt,den ich dadurch als Gegengewicht zu dentypischen Kriminalgeschichten habe.Denn eines haben sie alle gemein: ZumEnde hin kippen sie ins Banale, ganzegal, wie die Handlung zuvor verlaufenist. Dann wird der Täter oder die Täteringefunden, und alle wissen: Der Huber hatden Meier erschlagen. Das führt überallzu Zufriedenheit. Und damit hat es sich.So etwas wollte ich in meinem Buch vermeiden.In Teufelskreuz sind grundsätzlichalle irgendwie böse, was ja viel realistischerist. Ich bin auch der Meinung, dassin Wirklichkeit viele Verbrechen gar nichtlückenlos aufgeklärt werden, weil unsereKriminalist:innen eben keine HerculePoirots oder Columbos sind. Außerdemliebe ich ganz generell offene Schlüsse.Auch im Leben ist nichts abgeschlossen.Das Leben ist ein ständiges Panta rhei,wie man weiß.Dabei ist Teufelskreuz, gelinde gesagt,auch ein sehr religionskritischer Krimi.Wurden Sie eigentlich religiös erzogen?Prokopetz: Wenn man es genau nimmt,könnte man sogar sagen, dass Teufelskreuzein atheistischer Krimi ist. Zu Hausemusste ich mich zum Glück nie gegenReligiosität wehren, ganz im Gegenteil.Ich muss lachen, wenn ich mir meineFamilie religiös vorstelle. Allein meineMutter hatte manchmal kleine Rückfälle,die aber wohl eher sentimental-theatralischerNatur waren.Waren Sie jemals selbst begeisterterKrimi-Leser?Prokopetz: Als Bub war ich ein großerFan von Agaton Sax, den heute wahrscheinlichkaum jemand kennt. Michhaben auch die schnoddrigen Krimisvon Dashiell Hammett oder RaymondChandler fasziniert, sie waren unglaublichcool. Im Gegensatz zu den Jerry-Cotton-Krimis. Auch die dazu gedrehtenFilme waren ja teilweise entsetzlich.Später hat mich dann vor allem UmbertoEcos Der Name der Rose beeindruckt.Ein irrsinnig gescheites Buch und einKrimi, der auch keinen Regeln folgt.Können Sie sich vorstellen, weiter zuexperimentieren und noch einen Krimioder Roman zu schreiben?Prokopetz: Mit meiner Figur Manokönnte ich noch vieles anstellen. Ideensind vorhanden. Ich werde aber jedenfallsabwarten, wie mein Buch aufgenommenwird. Übrigens habe ich auchgerade das Hörbuch zu Teufelskreuz eingelesen,gemeinsam mit Wolfgang Ambros,der dem teuflischen Mano seineStimme geliehen hat. Und ich bin für denganzen Rest verantwortlich.Herzlichen Dank für das Gespräch!Joesi Prokopetz: TeufelskreuzEin Joesi-Prokopetz-Krimi272 Seiten, Paperback, 978-3-7104-0329-3€ 18,– | Servus, ET: 18. Oktobersortimenterbrief 10/2207


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