buchrezensionenDie laserscharfe Satirikerin erstmals auf DeutschMottingers Meinungwww.mottingers-meinung.atFran Lebowitz ist Kult. Von Andy Warholweiland entdeckt und zu Amerikasliebster Lästerzunge seit Truman Capoteavanciert, wird die Trockenhumoristinseit ihrer Zusammenarbeit mit MartinScorsese für Netflix im vergangenen Jahrnun auch in Europa gefeiert. Dem RowohltVerlag kam es zu, Lebowitz’ BestsellerMetropolitan Life und Social Studiesim Erzählband New York und der Rest derWelt für ein deutschsprachiges Publikumerstmals zusammenzufassen.Es gibt nichts, worüber die Lebowitz nichtschreibt: Großstadtleben und Manieren,Wissenschaft, Kunst und Fahrstuhlmusik,Leute, Dinge, Orte, Ideen, Körperkultund Kindererziehung, Eitelkeit und beruflichenEhrgeiz. Und immer tut sie diescool und komisch, doppeldeutig und hintergründig.Ihr aphoristischer Wortwitz, ihre laserscharfeSatire ist von sprachlich zeitloserEleganz. „Salat ist keine Mahlzeit, sondernein Lebensstil,“ ist eine ihrer gernzitierten Weltweisheiten. Und so wie siein ihren New Yorker Sittenbildern mal alsMiniatur, mal als Schlachtengemälde dieMarotten ihrer Mitmenschen nachzeichnet,so macht sie sich selbstironisch überdie eigenen Spleens her.Derart beginnt das Buch mit dem Kapitel„Mein Tag: Eine Art Einführung“: „12:35 –Das Telefon klingelt. Ich bin nicht erfreut.Nicht meine Art, aufzuwachen. Es ruft einAgent aus Los Angeles an. Er ist hörbarbraungebrannt. Er interessiert sich fürmeine Arbeit und meint, wir sollten reden,und zwar auf meine Kosten. Ich entgegne,dass ich mir den Trip nach Los Angelesnur als Postkarte leisten könnte.“ Es folgtein sinnloser Versuch, wieder einzuschlafen,ein verunglücktes Frühstück knappnach 16 Uhr, ein romantisches Zwischenspiel:„18:55 – Das Objekt meiner Zuneigungerscheint mit einer Topfpflanze inder Hand.“„21:30 – Ich gehe mit einer Gruppe vonLeuten essen, zu denen zwei Models, einModefotograf, die Pressefrau des Modefotografenund ein Artdirector gehören.Ich rede fast nur mit dem Artdirector,vermutlich, weil er über den größtenWortschatz verfügt.“ Um 2 Uhr früh ersteVorbereitungen, endlich zu arbeiten: „Ichnehme mir einen Stift und starre auf dasBlatt Papier. Ich kritzle auf dem Rand herum.Sehnsüchtig geht der Blick zum Sofa,das sich doch mühelos ohne Weiteres inein Bett verwandeln lässt. Ich zünde mireine Zigarette an. Ich starre auf das Blatt.4:50 – Das Sofa gewinnt. Wieder ein Siegfür die Möbel.“Die längsten der Geschichten sind nurwenige Seiten kurz. Sie zünden und verglühenwie ein Feuerwerk, wohl weil sichÜbersetzerin und Übersetzer SabineHedinger und Willi Winkler mit viel Vervean die Lebowitz’schen Kracher undRaketen herangewagt haben. Großartigist der Bonmot-Pyrotechnikerin Berufsberatung,fulminant fies und wie erdachtfür die derzeitige Weltlage (aber vielleichtist die ja zu allen Zeiten die gleiche?), ihrdiesbezüglicher Fragebogen für Diktatoren– hier in Kurzfassung:„1. Nichts macht mir mehr Angst als ... a)neue Leute kennenzulernen b) Schlangenc) ein Staatsstreich. 2. Was tue ich amliebsten an einem gemütlichen Sonntagnachmittag?a) Kochen b) Mit Make-upexperimentieren c) Menschen aus demLand weisen. 3. Wenn ich auf eine großeAnsammlung Fremder treffe, reagiereich wie? a) Ich gehe auf jeden zu, der interessantaussieht b) Ich verkrieche michin eine Ecke, um zu schmollen c) Ich veranlasseeine Säuberungsaktion. 4. Wennjemand anderer Meinung ist als ich, reagiereich wie? a) Ich diskutiere ruhig undvernünftig b) Ich bekomme schlechteLaune c) Ich lasse ihn hinrichten.“Was Wunder, dass die Ausarbeitung vonderart Schwerwiegendem in der Selbsterkenntnisenden muss: „Den innerenFrieden gibt es nicht. Es gibt nur Nervositätoder Tod. Der Versuch, das Gegenteilzu beweisen, ist inakzeptabel.“ Mag sein,man muss aus der Metropole des Stadtneurotikerssein, um diesen Tief- undWeitblick zu erlangen.Die Seeleist kein weites Land,bei Lebowitz hangelt sie sich durch Hochhausschluchten.Ihre alles und jeden entlarvendeBeobachtungsgabe erinnert andie große Österreicherin Inge Morath,nur dass Lebowitz’ Objektiv ein sehr subjektivesist ...Die Stand-Up-Essayistin und eine ihrerverdeckten Sozialstudien. Lebowitz,1950 in der Kleinstadt Morristown inNew Jersey geboren, hinein in eine Familie,„deren literarisches Vermächtnissich weitgehend auf Ansichtskarten beschränkte“,Nachfahrin ungarischer Juden,von denen schließlich eine nach EllisIsland verschifft wurde, liebt das Gedankenspiel,die gesellschaftlichen Selbstbeschreibungender Intellektuellen- undKünstlerclique, in der sie sich bewegt, insGegenteil zu verkehren: „Denn wer vonuns könnte behaupten, seine Lebenserfahrunggleiche einem Seurat-Gemälde,wo es doch eher die Pflanzenschaukel ausMakramee ist.“Lebowitz’ Schreibstil ist schnell und präzise.Die meisten ihrer Texte entwickeltsie aus der Ich-Erzählerinnen-Perspektive.Sie geht davon aus, dass ihre Schlussfolgerungenauch anderen hilfreich sindund, transformiert also die zur eigenständigenKunstform gewordene Ich-Umkreisungzur literarischen Psychotherapiesitzung.Und stets gilt: Ein guter Witz ist einLebowitz ...Auszug aus der Online-KulturzeitschriftMottingers-Meinung.at352 Seiten, HardcoverISBN 978-3-7371-0143-1€ 22,70 | Rowohlt Berlin26 sortimenterbrief 10/22
Politik undRock’n’RollRollEvgenij DajnovPolitik und Rock’n’RollWie kamen wir von „Love Me Do“auf Donald Trump?380 Seiten, zahlreiche FotosHardcover mit FadenheftungFormat 16 cm × 24 cmPreis € 34,00Erscheinungstermin:17. Oktober 2022ISBN 978-3-902968-76-0Wie kamen wirvon „Love Me Do“auf Donald Trump?Auch als eBook erhältlich„Wenn Sie die Geschichtepolitischer Ideen undihrer Spuren in der Musikerleben wollen, dannlesen Sie dieses Buch!“Ivan KrastevEvgenij DajnovKEDITION KONTURENPolitologe, Rockmusiker und DissidentNiemand hat bisher die Geschichte der letzten 60 Jahre so eindringlich analysiert wieEvgenij Dajnov: Dieses Buch über die wachsende Gefahr für die Demokratie in Ostund West macht auch Hoffnung auf einen Neuanfang. Dajnov, Professor für Politologiein Sofia, Rockmusiker und Dissident, hat in Oxford studiert und viele Jahre inden USA unterrichtet – er kennt die Welt von Ost und West wie kaum ein anderer.Edition Konturen Wien – Hamburgwww.konturen.ccKKONTURENEDITION
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