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sortimenterbrief September 2021

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Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe september 2021.

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© Verlagsbüro Schwarzer Advertorial Wolkenstein: Die Chinesische Medizin arbeitet empirisch, geht von der Beobachtung aus. Diese Beobachtungen werden in Mustern formuliert. Denken Sie an alte Menschen in der Straßenbahn, die sofort offene Fenster schließen, weil sie Wind und Zugluft als unangenehm und krankmachend empfinden. Diese Zugluft wird im Chinesischen als pathogener Faktor gesehen – krankmachend, vor allem in den Frühlingszeiten. Der Wind, das Element Holz und die davon hervorgerufenen Krankheitssymptome werden mit dem gesamten Organsystem assoziiert. In diesem Fall sind es Galwestliche wissenschaft trifft östliche tradition Ossi Hejlek im Gespräch mit Dr. med. Evemarie Wolkenstein Ärztin für Allgemeinmedizin, Chinesische Medizin und Homöopathie; Gründerin und Präsidentin des Institut Wolkenstein; ehemalige Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Akupunktur; Lehrtätigkeit in TCM seit mehr als 20 Jahren www.evewolkenstein.com »Das Yang Sheng – die Lebenspflege – hat doppelt so viel Einfluss auf das Immunsystem wie unsere Gene« Wie kamen Sie als Allgemeinmedizinerin zur Chinesischen Medizin? Wolkenstein: Bereits im dritten Abschnitt meines Medizinstudiums interessierte ich mich für Alternativen zur klassischen Schulmedizin. Ich hatte das große Glück, dass ich auf zwei damalige Koryphäen traf. Einerseits war es der damalige Leiter der physikalischen Medizin in Lainz, Prof. Mathias Dorcsi, der zweimal pro Woche eine Lehrambulanz im Bereich der Homöopathie unterhielt. Dort saß ich ab 1984 regelmäßig. Andererseits war es Prof. Johannes Bischko, der große Bekanntheit erlangte, nachdem er 1972 im Hörsaal der Wiener Poliklinik eine Mandeloperation mit örtlicher Betäubung durch Akupunktur durchgeführt hatte. Dadurch fand auch die Akupunktur schlagartig internationales Interesse. Ich hatte zwei tolle Lehrer, erhielt auf beiden Ebenen Ausbildungen – additiv zur Schulmedizin. Ihre Praxis ist in Wien? Wolkenstein: Ich habe eine Wahlarztpraxis, in der ich für viele die Hausärztin und genauso die Komplementärmedizinerin bin – je nachdem, worum es sich handelt. Sie schreiben, dass immer wieder Patienten zu Ihnen kommen und nach einer Stärkung ihres Immunsystems fragen ... Wolkenstein: Das war letztendlich auch der Impuls, ein Buch darüber zu verfassen. Viele Menschen haben eine sehr fantasievolle Vorstellung vom Immunsystem, die sich nur am Rande mit der medizinischen Realität deckt. Viele denken beispielsweise, dass sie aufgrund eines schwachen Immunsystems Schnupfen bekommen. Ich möchte mit dem Buch aufzeigen, dass uns das Immunsystem vom Stadium als Fötus bis ins hohe Alter begleitet und seine Schutzfunktionen ausübt – beispielsweise im Bereich der Zellalterung oder auch bei psychoemotionalen Problemen. Der Begriff Immunsystem ist viel, viel weiter zu sehen, als man annimmt. Es geht nicht nur um die Abwehr von Schnupfen oder Husten. Am Beginn erklären Sie, wie das Immunsystem funktioniert. Der Hauptteil des Buches ist nach den unterschiedlichen Altersphasen gegliedert. Wie kann man die 5-Elemente-Lehre in Bezug auf das Immunsystem setzen? 16 sortimenterbrief 9/21

westliche wissenschaft trifft östliche tradition lenblase und Leber. Viele empfinden Zugluft so, dass sie Kopfschmerzen hervorruft. Und dieser Kopfschmerz liegt genau dort, wo der Gallenblasen- Meridian am Kopf verläuft. Ist das System gesund, stört einen die Zugluft nicht. Kommt es aber zu Kopfschmerzen, weiß man, dass der Gallenblasenmeridian gestört ist, eine Schwächung vorliegt. Die kann man dann behandeln. Dieses Beispiel ist stellvertretend für alle Systeme im Körper. Werden die Systeme im Laufe des Lebens anders betrachtet bzw. ändern sich die Systeme im Alter? Wolkenstein: Tendenziell ja, aber nicht alles ist mit Schwarz oder Weiß zu beantworten. Da muss man vorsichtig sein. Wir haben alle Elemente in uns, haben eine Tendenz zu einem bestimmten Element – und ja, das kann sich im Alter ändern. Auch die alten Griechen hatten ihre Typenstruktur: Sanguiniker, Phlegmatiker ... Man ist nicht nur ein bestimmter Typus. Im Buch haben Sie erwähnt, dass die westliche Medizin symptomorientiert behandelt, die Chinesische Medizin hingegen ursprungsorientiert agiert ... Wolkenstein: Natürlich versucht die Schulmedizin genauso, Ursachen zu analysieren. Aber die unterschiedliche Grundausrichtung stimmt im Wesentlichen so. Ein wichtiger Punkt in Ihrem Buch ist das Yang Sheng – die Kunst der Lebensführung. Wie sehr ist die dazu notwendige Selbstfürsorge lernbar? Wolkenstein: Das Immunsystem reagiert sehr stark über die neurologische Komponente – über Nervenbahnen im Gehirn, Neurotransmitter – Botenstoffe, die im Gehirn zu einem Wohlfühlen oder zu Depressionen führen. Der neue Begriff dafür ist Neuropsychoimmunologie. Beispielsweise haben Menschen, die Trauerarbeit leisten, eine erhöhte Evemarie Wolkenstein: Mit Chinesischer Medizin zu einem starken Immunsystem 176 Seiten, durchgehend vierfarbig, Klappenbrosch., 978-3-99002-134-7, € 19,90 | maudrich Krankheitsanfälligkeit. Emotionen wie Sorge oder Trauer schwächen das Immunsystem. Wir nennen das in der westlichen Welt vereinfacht auch psychosomatisch – die Psyche als Ursprung von physischen Auswirkungen. Ich schreibe auch im Buch: Wenn du gesund sein willst, dann kuriere zuerst deinen Geist! Ab der Aufklärung ging es bei uns aber leider in die Gegenrichtung – ins Materielle. Im Chinesischen steht das Immaterielle für das Yang, das Warme, das von der Sonne kommt, die Energie des Lichts. Das Materielle wird dem Yin zugeordnet. Das ist unser Blut, das sind unsere Muskeln – das ist auch die Mutter Erde, die uns nährt. Im Yang Sheng geht es also darum, zu erkennen, was ich in meinem Leben brauche, was mir guttut. Bekommt man nach drei Espressi Magenschmerzen, braucht man keinen Arzt aufzusuchen. Dann reicht es erstmal, auf einen zu reduzieren. Ich bin seit 30 Jahren Ärztin, erkenne unglaubliche Veränderungen in der Wahrnehmung von uns selbst – auch in puncto der materiellen Ausrichtung, von der man getrieben durchs Leben läuft. Am Ende wartet dann das Burnout. Und überall spielt das Immunsystem mit. Welche Botschaft gibt es, um all dem entgegenzuwirken? Wolkenstein: Die ist genauso simpel wie essenziell: Erkenne dich selbst und nimm dich wahr! Achte auf dich und schaue, dass es dir gut geht! Bei vielen Dingen wissen wir ohnedies, was uns gut täte, was wir verringern und was wir vermehrt im Alltag Einzug nehmen lassen sollten. Unterm Strich: Wir haben vieles selbst in der Hand, um es rechtzeitig zu beeinflussen? Wolkenstein: So ist es. Und das Buch unterstützt einen dabei. Wir denken leider in der westlichen Welt sehr kurzfristig. Betrachten wir Asiaten: Viele von ihnen sind schlank und drahtig. Die essen eben keine Topfengolatschen. Dafür ernähren sie sich stark von frischen Lebensmitteln. Die sehen mit 70 Jahren aus wie 50. Das ist das Langzeitergebnis ihrer Lebensführung. Wir hingegen erhalten die Diagnose Fettleber – dann essen wir einen Monat keinen Speck, danach geht’s wieder los. Oder wir kaufen Supplements – natürlich ist das dann gut für die Ökonomie, leider ist es relativ sinnlos für die Gesundheit. Wie konsumiert man Ihr sehr gehaltvolles Buch? Wolkenstein: In der Regel geben es meine Kapitel vor, die sich auf die unterschiedlichen Altersbereiche beziehen. Man wird zuerst den Teil lesen, in dem man sich selbst wiederfindet. Oder man sucht sich Unterkapitel wie Allergien oder Zellalterung ... Alles ist ein großes Ganzes, das permanente Zuwendung braucht ... Wolkenstein: Oder mit einem alten Sprichwort: Es hat keinen Sinn, die Waffen zu schmieden, wenn der Krieg bereits ausgebrochen ist. Yang Sheng steht für Prävention. Reparieren ist nämlich aufwendiger als vorzusorgen. Danke für das Gespräch! sortimenterbrief 9/21 17


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